"Situationen in der täglichen Arbeit mit dem Pferd und Antworten verschiedener Ausbilder."
Frage:
"Der
Schlüssel beim Reiten sind die Paraden. Sie leiten Übergänge,
Wechsel etc. ein, machen aufmerksam, versammeln ... Ein Wort, das für
viele Reiter/innen sehr abstrakt ist. Was ist eine Parade oder besser
wie kann ich sie dem Pferd beibringen oder wie
setze ich sie
um. Was macht mein Körper dabei. Mit welchen Bildern kann ich dabei
arbeiten, um sie deutlich, klar und richtig zu geben?"
Antwort:
Den Stromkreis fließen lassen – damit Reiterhilfen ankommen!
Von
Dr. Tuuli Tietze
Wenn
das Pferd sicher an den Hilfen steht, lässt es die Reiterhilfen
durch seinen Körper hindurch fließen. Dann kommen die Reiterhilfen
an – immer! Doch das Pferd genau dazu zu bringen, damit tun sich
viele Reiter schwer. Oft reicht schon eine kleine Unachtsamkeiten aus
– und schon wird aus dem Zirkel ein Ei und das Pferd bricht über
die äußere Schulter aus. Vielleicht verweigert es auch den Übergang
– und spätestens wenn das im Gelände passiert, kann dieses
Nicht-sauber-an-den-Hilfen-stehen sehr unangenehm und mitunter
gefährlich werden. Es gilt deshalb unser Pferd so zu schulen, dass
wir uns auf die gewünschte Reaktion verlassen können. Und das
wirklich immer!
Den Strom fließen zu lassen, dafür bedarf es Feingefühl und eine gute Koordination der Reiterhilfen. Und: Pferd und Reiter müssen nach vorne denken! |
Je
nachdem, wie weit das Pferd ausgebildet ist, unterscheide ich drei
Arten der Verbindung zwischen Pferd und Reiter: 1. Kontakt, 2.
Anlehnung, 3. Versammlung.
Kontakt
– hier fließt noch kein Strom
Ein
junges Pferd in der Phase der Gewöhnung braucht noch nicht am Gebiss
zu stehen. Für dieses Pferd besteht der grundlegende Lernerfolg
darin, den Kontakt zum Reiter (mit Sitz, Schenkeln und Hand) zu
akzeptieren. Mit wachsender Kraft und Koordination mitsamt dem
Reitergewicht auf dem Rücken, heißt es, dieses Pferd allmählich in
die nächste Lernstufe zu entwickeln.
Anlehnung
– den Strom von hinten nach vorne fließen lassen
So
gelingt es, das Pferd in Anlehnung und damit an die Hilfen zu
bringen:
- Impuls nach vorn – Diesen Impuls gibst Du zum einen aus dem Sitz, indem Du Dein Becken kippst und vorschiebst. Als gedankliche Unterstützung hat sich dabei diese Bild bewährt: An Deinen Gesäßhöckern befinden sich zwei Klammern, mit denen Du Dich in Deinen Sattel einklinckst und dann den Sattel mitsamt Deinem Pferd nach vorne schiebst. Der zweite Teil des Vorwärtsimpulses ist die Schenkelhilfe: Umschließe Dein Pferd mit Deinen Unterschenkeln, als ob Du eine große Tube ausdrücken wolltest.
- Genick lockern und kontrollieren – Mit Deiner inneren, flexibel vibrierenden Hand stellst Du Dein Pferd leicht nach innen ein, sorgst dafür, dass es im Genick locker lässt, und gibst anschließend wieder nach. Wichtig ist, dass während des Annehmens der Vorwärtsimpuls noch wirkt, damit Du nicht rückwärts einwirkst.
- Abfangen – Mit Deiner äußeren Hand fängst Du den Vorwärtsimpuls ab, als ob Du einen Schwamm knetest.
Kurzgefasst: treiben, annehmen,
nachgeben.
Wer sorgfältig darauf achtet, sein Pferd stets sauber und konsequent an seine Hilfen zu reiten, wird überall einen zuverlässigen Sportpartner haben! |
Diese Hilfen zu
geben, treiben, annehmen und nachgeben, dauert etwa so lange, wie Du
brauchst, um einmal ein- und auszuatmen. Lass die vortreibende Hilfe
dabei unbedingt vorherrschen! So kann Dein Treiben mit Sitz und
Schenkeln die Hinterhand Deines Pferdes aktivieren, durch seinen
Rücken hindurchfließen, durch sein lockeres Genick bis ins Maul und
von dort in Deine Hand zurück. Wenn der Strom wirklich fließt,
dehnt sich Dein Pferd ans Gebiss heran – ein Gefühl wie ein
Gummiband, das sehr leicht gespannt ist, oder wie ein sanfter,
freundlicher Händedruck.
Versammlung
– den Strom von hinten nach vorne fließen lassen und die Energie
zur Hinterhand zurückleiten!
Ist
die Anlehnung sicher und Dein Pferd weiter fortgeschritten, kann die
versammelnde Arbeit mit halben Paraden beginnen. Sie baut auf der
oben beschriebenen Abfolge an Hilfen auf, mit den Unterschieden, dass
...
... es
jetzt ganz genau auf das exakte Timing dieser Hilfen ankommt,
... die
vortreibende Energie noch einmal deutlich höher ist,
z. B. im Trab als wenn Du Mitteltram reiten wolltest, und
z. B. im Trab als wenn Du Mitteltram reiten wolltest, und
... Du
wesentlich schneller mit Deinen Zügelhilfen agieren musst.
Das
Timing: Damit
Deine versammelnden halben Paraden ihre volle Wirkung entfalten
können, muss Dein Timing stimmen: Setze die halbe Parade an, wenn
das Hinterbein Deines Pferdes am Boden ist, also kurz bevor es
abfußt. Nur dann kann es mit diesem Hinterbein im nächsten Moment
reagieren.
Das kannst Du ganz gut erfühlen: Wenn das Hinterbein am Boden ist,
ist die Hüfte Deines Pferdes auf dieser Seite höher, Deine eigene
Hüfte wird dadurch angehoben. Normalerweise willst Du das innere
Hinterbein Deines Pferdes mit den halben Paraden beeinflussen, weil
es in der Regel mehr Arbeit zu verrichten hat und deshalb mehr Last
aufnehmen soll. Auf gebogenen Linien ist es allerdings ratsam, auch
das äußere Hinterbein anzusprechen. Denn dieses Bein hat den
weiteren Weg hat. Gleiches gilt für den Galopp, weil das äußere
Hinterbein hier das „Startbein“ für den Galopp ist.
Die
Energie: Für
versammelnde halbe Paraden muss soviel Vorwärtsenergie aufgewandt
werden, wie für eine Trab- oder Galoppverstärkung, also ruhig immer
ein bisschen mehr man eigentlich denkt.
Die
Schnelligkeit: Ein
häufiger Fehler, den ich immer wieder beobachte, ist, dass die
Reiter leicht in den halben Paraden hängen bleiben. Damit blockieren
sie das jeweilige Hinterbein statt es zu aktivieren. Nimm Dir deshalb
vor, dreimal in Folge anzunehmen und nachzugeben, während das
Hinterbein noch am Boden ist. Dadurch wird der Vorwärtsimpuls nicht
nur abgefangen, sondern zur Hinterhand zurückgeleitet. Und das Pferd
beugt vermehrt seine Hanken. Und vor allem läufst Du nicht Gefahr,
rückwärts zu wirken, sodass Dein Pferd womöglich das Gefühl
bekommt, es wäre in einem Schraubstock eingezwängt. Kurzum: das
schnelle Nachgeben sorgt für den Effekt der halben Parade!.
Jetzt
heißt es: treiben, kurz annehmen, nachgeben, kurz annehmen,
nachgeben, kurz annehmen, nachgeben!
Wenn
Du dieses Zusammenspiel präzisierst und das sichere
An-den-Hilfen-stehen konsequent verfeinerst, wirst Du immer mehr
Leichtigkeit in Dein Reiten bringen!
Über die Autorin:
Dr.
Tuuli Tietze ist Dressur- und Mentaltrainerin. Ihr Erfolgsrezept:
SMARTreiten®,
ein Trainingsprogramm das Sport- und Freizeitreiter gleichermaßen
begeistert. Gerade ist ihr neues Videoseminar „An Deinen Hilfen“
erschienen, in dem sie Übungen zum Nachreiten vorstellt – ein Muss
für jeden, der präziser und harmonischer reiten möchte! Infos
unter:
Artikel zum Weiterlesen:
Fragen und Wege - Teil 1
Fragen und Wege - Teil 3
Fragen und Wege - Teil 4
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