Der folgende
Text ist beispielhaft, um sich Situationen bewusst zu machen und zum
Nachdenken anzuregen. Fiktive Gedanken des Pferdes sind kursiv
geschrieben. Das Pferd ist ein Linkshänder und rechts hohl, somit
ist es auf der rechten Hand scheinbar leichter zu dirigieren.
Der Reiter hat gesattelt und begibt
sich zielstrebig zum Reitplatz. „Er hat sich anscheinend etwas Konkretes für heute vorgenommen. Was das wohl sein wird?“
Er sitzt auf und verlangt Schritt,
energisch treibend – „Ich mach ja schon!“Ganze
Bahn ist noch recht einfach und die Ecken sind zum Glück nur kurze
Kreisbögen, wenn das Pferd abkürzt oder hineindriftet, bemerkt der
Reiter es nicht. Nach einer Weile spannt er sich innerlich –
Aufwärmphase vorbei und abwesende Gedanken sammeln sich und
fixieren sich auf den Plan
für diese Reitstunde. „Eben hat er mich noch
weitestgehend in Ruhe gelassen, wieso jetzt so gespannt?“
Zirkel
im Schritt rechte Hand. Der
Reiter treibt, der Reiter schaut nach unten auf die Hände, arbeitet
stellend und treibt. Mehr nicht. „Weniger nicht.“
Handwechsel
durch den Zirkel und linke Hand weiter. Das Pferd war bisher gut mit
der Linkshändigkeit klargekommen, da es eher den Zirkel vergrößerte,
was durch die Bande wenig auffiel oder der Reiter es
nicht bemerkte. Nun im
Übergang geht die Linie verloren. Das Pferd schaut weiterhin nach
rechts, schiebt sich über die linke Schulter um den Zirkel und
eiert. Der Zirkel wird kleiner. Der Reiter treibt. Der Reiter
verstärkt die Zügeleinwirkung und treibt. Er sitzt schief, weil das
Pferd unausbalanciert ist. Der Reiter treibt und bemerkt nicht, dass
er ebenfalls nach außen schaut. „Was will er denn?
Rechts lang … links lang … anhalten?“
Der äußere Zügel verlor den Kontakt. Der
innere arbeitet und arbeitet und … die Schenkel treiben und
treiben, ob zum richtigen Zeitpunkt fällt nicht auf – aber Treiben
ist wichtig!
Handwechsel.
Puh, etwas einfacher und der Reiter verliert an Körperspannung, um
sich von dem Linkszirkel zu erholen.
Handwechsel.
Es muss heute noch klappen. Zügelarbeit, Treiben, mit dem Kreuz
schieben. Nun will der Bock nicht mehr. „Eben hast du
signalisiert, dass das Tempo völlig ok ist und nun kann ich gar
nicht schneller, weil du wie ein Hampelmännchen turnst. Wann ist das
vorbei. Was will er denn?
...
Frust.
Wut. Unverständnis.
Zügelarbeit und Treiben.
Nun wird angetrabt
und vehement weitergestriezt. Ein Hamsterrad mit zwei
Fremdsprachlern. Eine Reitstunde, die anschließend beiden im Nacken
sitzt.
Wie fühlt sich das Pferd?
Oder:
Wie möchte ich lernen oder ein Ziel
erreichen? Unter Druck … mit
Unwohlsein … kaum klare Erfolgserlebnisse … ein „Lehrer“, der nie schaut, ob er vielleicht selbst einen Fehler gemacht hat oder undeutlich war?
Unwohlsein … kaum klare Erfolgserlebnisse … ein „Lehrer“, der nie schaut, ob er vielleicht selbst einen Fehler gemacht hat oder undeutlich war?
Lernen klappt nur mit Erfolg, wenn es
in einer Atmosphäre von Wohlwollen, Zufriedenheit und mit Zeit
geschieht.
Fangen wir noch einmal von vorne an:
Ein Kleinziel ist das Anheben der
inneren Schulter, dass mein Pferd mehr in die Balance findet und sich
auf dem linken Zirkel mehr biegt – ohne Zwang von allein biegt,
denn dann hat es verstanden und reagiert soweit, wie es selbständig
dazu fähig ist. Wenn ein Mensch sagen wir Spagat üben möchte, wird
er sich doch Stück für Stück in mehr Dehnung vorarbeiten und
Pausen machen, damit die Muskeln sich daran gewöhnen. Wohl kaum wird
er das fertige Bild vor Augen sich hineinzwingen, weil es ja das Ziel
ist.
Ich beginne freundlicherweise mit der
rechten Hand, da diese Seite dem Pferd durch die natürliche Schiefe
leichter fällt, es bietet eine Biegung bereits an. So reite ich
möglichst sauber den Zirkel, vorerst im Schritt, helfe mit der
Gewichtshilfe Richtung und Bogen zu halten, in dem ich mich auf den
Zirkel ausrichte (mein Becken ist wie die Hinterhand ausgerichtet,
meine Schultern wie die Vorhand, mein Oberkörper leicht in
Bewegungsrichtung gedreht und ich überschaue den Zirkel). Wenn ich
das Gefühl habe, das Vorwärts zu verlieren, zu wenig Aktivität
besonders des inneren Hinterbeins zu haben, treibe ich. Die Balance
unterstütze ich mit den Zügeln, driftet das Pferd nach außen,
liegt der äußere Zügel an der Schulter und ich lege den
verwahrenden äußeren Schenkel deutlicher an. Verkleinert das Pferd
den Zirkel liegt kurzzeitig der innere Zügel an und gibt durch
entspannen von Arm und Hand nach, wenn sich das Pferd selbst in
Balance trägt.
Ich wechsele aus dem Zirkel und reite
in Außenstellung, denn diese Haltung ist die bevorzugte, da das
linke Vorderbein gern als Stütze genutzt wird. Je nach Gefühl lasse
ich mein Pferd nach einer halben Runde (mehr oder weniger) langsam um
den neuen inneren Schenkel biegen, ohne Zügelzug!, denn die Biegung
soll soweit ausgeführt werden, wie es das Pferd anbieten kann. Ich
helfe mit neuer Schenkellage, Körperachsenausrichtung und evtl.
Bügeltritt außen, damit das Pferd sein Gewicht von der inneren
Schulter nimmt und sich besser ausbalancieren kann. Ich berühre mit
dem äußeren Zügel nicht die Schulter, der innere liegt dafür an,
um dem Pferd das Ausrichten verständlicher zu machen und die
Richtung zu weisen. Der äußere Zügel ist wie das Ziel, wo sich das
Pferd sozusagen hinbewegen soll – die diagonale Hilfengebung
funktioniert, indem ich mit dem inneren Schenkel das Pferd an diese
äußere Anlehnung (Zügel) heran treibe, es dadurch eine Stütze
bekommt, würde ich loslassen und keine Verbindung am äußeren Zügel
haben, verliert das Pferd sozusagen den Zugpunkt, wo die
Balanceausrichtung hingehen soll, nämlich das Anheben der inneren
Schulter und somit ein Aufrichten der Waage beider Schultern und
Vorderbeine.
Spüre ich eine Reaktion hin zur
Biegung, ein leichter werden, lobe ich sofort und löse auf. Am
besten halte ich dazu an, denn im Stand kann die Balance in dem Sinne
nicht wieder verloren gehen, jedoch im Schritt am langen Zügel wird
das Pferd wieder seine linke Schulter als Stütze benutzen (durch die
natürliche Schiefe bedingt). Deshalb ist ein langes am
langen/hingegebenen Zügel dahintrotten kontraproduktiv. Eher lasse
ich mein Pferd im Stand sich strecken und entspannen. Das heißt
nicht, dass ich auch mal die Zügel lang lassen darf. Das muss ich je
nach Situation abwägen, was ich gerade erarbeite und wozu ich es
einsetzen möchte.
Ich wäge ebenfalls ab, ob ich nach
dieser ersten Reaktion in die richtige Richtung im Schritt bleibe und
erneut die Biegung fordere mit anschließendem Lob oder eine Pause
mache. Stück für Stück kann ich mehr erwarten, längere Phasen in
Biegung, häufigere weitere Versuche, bevor ich lobe und eine Pause
mache. (Das liegt immer im Ermessen des Reiters, wie er die Situation
und sein Pferd auf dem Lernweg einschätzt. Es geht schließlich
darum, dass das Pferd wirklich versteht, was es soll und das mit
Freude auch versuchen möchte.)
Ein Lob kann ebenfalls ein Handwechsel
auf die bevorzugte Seite sein. Ich kann diesmal den Handwechsel ohne
Außenstellung mit einem fließenden Übergang fordern, so langsam in
die neue Stellung und Biegung reiten, dass das Pferd allein seine
Balance hält und die innere Schulter anhebt oder gehoben hält, bis
ich fühle, es verliert sie wieder und rechtzeitig belohnen, damit es
ein Erfolgserlebnis hat. Pause.
Für das Ziel Trab in Balance und
Biegung auf dem Zirkel trabe ich gewollt sanft an, als ob ich nur ein
wenig den Rhythmus verändern will ohne wirklich an schwungvollen
Trab zu denken oder ihn anzustreben. So ein in den Trab hinein
schleichen hilft dem Pferd für den Anfang die Balance nicht zu
verlieren. Sinnvoll ist hier auch oft vom Boden aus (longierend) zu
üben, da es ohne Reiter leichter ist. Je sicherer es wird (bspw.
zuerst auf der rechten Hand) kann ich die Anforderung steigern. Immer
wieder an die Pausen im Halten oder im Schritt denken, damit das
Pferd Erfolgserlebnisse hat. Es wird von Mal zu Mal (über Tage,
Wochen oder Monate) besser, geschmeidiger und stärker.
Wenn der Reiter versucht mitzudenken,
oder sogar vorauszuschauen kann er dem Pferd helfen, das gewünschte
Ziel in kleinen Schritten zu erarbeiten, zu verstehen und umzusetzen.
Niemals gleich das Ganze zu Beginn fordern. Das gibt Frust. Und mit
vielen kleinen Erfolgserlebnissen, die der Reiter stolz und auch mal
überschwänglich belohnt, macht das Lernen und Mitarbeiten doch
Spaß. Oder?
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