Mittwoch, 14. Oktober 2015

Warum Reiter gute Pädagogen sein sollten.

 Verantwortung


Als Reiterin fühle ich mich in der Verantwortung, die Zeit mit meinem Pferd bestmöglich zu verbringen - also so, dass mein Pferd gern mit mir zusammen ist, sich für mich anstrengen will, mich versteht und auch beim nächsten Mal noch auf mich zukommt. (Ein Glück tun sie das alle :) Und ich kann dadurch erkennen, wenn einer wirklich mal keine Lust hat.)

Ich möchte kein Pferd, dass die Zeit mit mir nur erträgt, darauf wartet, bis es endlich vorbei ist, seine Pflicht erfüllt und wenn es mich sieht, ich mit einem Halfter komme, es sich wegdreht oder gar nicht erst guckt, geschweige denn interessiert mitkommt.

Es ist entscheidend für ein harmonisches Miteinander, das beide Seiten mitmachen wollen. Gerade Pferde sind Energiesparer und tun nur so viel wie nötig. Sie müssen die Energie für eine mögliche Flucht aufsparen. Also ist es ein Geschenk, wenn sie für uns Energie "verschwenden".
Ich sehe mich dadurch in der Pflicht, diese geschenkte Energie in einem positiven Sinne zu nutzen, zu würdigen und etwas dafür zurückzugeben. Sei es Lob, Futter, Anerkennung und/oder Freude, ehrliches Interesse an meinem Partner Pferd.

(Lies hierzu "Bitten und Fragen" - über das Zurückgeben.)



Vertrauen


Es ist auch entscheidend für ein harmonisches Miteinader, dass sich die Bewegungs-Partner vertrauen und ihre Muskeln sich geschmeidig locker an und entspannen. Blockaden oder Verkrampfungen behindern das Wohlfühlen.
Sport kann Spaß machen oder?
Ich denke, besonders dann, wenn man einen guten Trainer, Coach oder Partner hat. Es braucht Motivation, ein Ziel, Abwechslung und ein Ergebnis in Form von einem guten Gefühl im Körper, Geist oder dem Feedback von außen. 

Ziele


Hier kommen die Ziele ins Spiel, die ich beim Reiten für mich und mein Pferd habe. Ohne Ziele kein Ergebnis und kein Feedback. Ich muss schon wissen, was ich will, sonst weiß auch mein Pferd nicht, was es soll oder was ich erwarte. Es tappt im Dunkeln. Ein unsicheres Pferd kann mir aber nicht vertrauen. Und einem "Wackel-Partner", der ohne Vorwarnung grob oder gewalttätig wird, vertraut ein Pferd schon gar nicht.

(Immer rhythmisch in der Bewegung mitzugehen und sich nicht am Zügel festzuhalten und dadurch das empfindliche Maul zu stören, ist schon eine große körperliche Herausforderung. Hast Du Schwierigkeiten im Trab auszusitzen? Dann hilft Dir vielleicht: "Trab Reiten - Trab Fühlen")

Wann vertraue ich meinem Sportlehrer, meinem Tanzlehrer oder Fitness-Trainer? Wenn er verständlich, motivierend, mich sinnvoll und auch mal abwechslungsreich fordert, dass ich das auch gern tue, oder? Auf jeden Fall muss er wissen was er tut und nicht mal so und mal so agieren. Genauso wenig grob werden, nur weil ich noch nicht das kann, was er erwartet, will oder fordert. Ich möchte Verständnis, Ansporn und Umsicht.
Ich versuche mir das immer mit dem Pferd vorzustellen - ein Sportler, dem Sport Spaß machen soll, der mich versteht und sich gern bewegt, weil wir uns zusammen dem Einklang so nah wie möglich fühlen: denn dann kann ich feine und eben sanfte Hilfen geben. (Sanfte Hilfen! ... also ich selbst würde ungern ein ziehendes, tretendes, unausbalanciertes aber von sich überzeugtes Kind auf den Schultern tragen. Danach würde ich wohl sagen: "Nein, nicht noch einmal.")



Für mich persönlich ist eins der größten Ziele und Geschenk ein geschmeidiges Pferd: 
- denn es ist durchlässig und setzt um, was ich erfrage
(dafür brauche ich eine gezielte und verständliche Kommunikation, das heißt auch ein gutes Körpergefühl, Verständnis für die Hilfengebung und ein Bild von dem, was ich möchte)
- es ist beweglich und stellt und biegt sich unter und mit mir wie im Tanz
(dafür brauche ich ein Verständnis von Biegung, meinem Sitz und seiner Einwirkung und muss auch fühlen, wenn das Pferd umsetzt, was ich erwartet habe)
- es kann seinen Körper in Bewegung formen und einsetzen, sich strecken, sich tragen und vor allem mich tragen
(ein steifen Pferd, das nicht loslässt oder dehnungsbereit ist, blockiert und hält fest, wenn ich auf seinem Rücken sitze, es trägt nicht, es verspannt sich)
- und ein geschmeidiges Pferd fühlt sich wohl
(Ich jedenfalls fühle mich nach Bewegung, nach Yoga oder anderer sportlicher Betätigung wohl, weil ich meinen Körper spüre, sich Verspannungen gelöst haben, ich merke, was ich kann und sich Bewegung leichter anfühlt als bspw. morgens nach dem Aufstehen.)


Und was hat das Ganze nun mit Pädagogik zu tun?


Ein Pädagoge weiß, was er tut, wann er es tut und wie er das tut, um seine Schüler zu motivieren, mitzumachen, über sich hinauszuwachsen und sich anzustrengen. Er weiß auch warum er welchen Weg geht, welche Zusammenhänge zwischen Übungen und Strategien stehen. Weil diese den Schüler erreichen sollen, ihn abholen wo er ist und dazu bringen, ein Ziel Stück für Stück zu erreichen. Wenn der Schüler dann auch noch gern mitmacht, ist der Pädagoge gut. Das ist aber auch sehr schwer. Es bedarf einer Vorbereitung, Konzentration, Wissen, Planung und gezielter Umsetzung, Spontanität, Überzeugung und Fingerspitzengefühl mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Tagesverfassungen. 

Schaue ich nun einmal auf mich selbst und die Zeit, wenn ich reite, was davon trifft auf mich zu und was nicht? 
Und vor allen Dingen, wann traf es zu und wie war die Reaktion, das Miteinander, das Gefühl über das Ergebnis?

Ich merke jedes Mal, je mehr ich davon sein konnte, umso zufriedener war ich, umso schöner das Gefühl über mich und mein Pferd.

Wer hat schon ein Pferd, das die Hohe Schule beherrscht?
Ich nicht. Und deshalb ist jede Einheit ein Training für mehr Geschmeidigkeit, Verständigung, Kraft, Energie, gemeinsamer Rhythmus und das Erreichen kleiner Ziele oder die Verbesserung unserer Eleganz in der Bewegung.

Und deshalb bin ich ein Pädagoge, weil ich die Verantwortung trage, mit meinem Wissen, meinem Gefühl, meinem Ziel bewusst, so an das Jetzt heranzugehen, dass ich daraus etwas mache, worauf wir stolz sein können. 

Ich jedenfalls möchte absteigen und sagen, wow!



 Ich merke immer wieder, wie ich die Einheit, den Tag, die Woche für mein Pferd plane. Wann möchte ich die Ausdauer fördern, wann die Beweglichkeit und Kraft. Wann gibt es Freizeit, eine Pause oder Spazierengehen? Als Abwechslung üben wir an kleinen Zirkuslektionen oder ich massiere mein Pferd für einen Einblick in die Befindlichkeit, Entspannung und dem Dank von mir für seine Mühe. Auch beziehe ich den Rückblick mit ein, wie hat sich das angefühlt, was wir als letztes erarbeitet haben? Wo möchte ich weitermachen, mehr fördern und stärken oder wo war ich nicht gut genug für mein Pferd, was muss ich ändern?

Ich denke hier kann man gut sehen, welche Thematiken das Planen mitsichbringt:
Reflexion und Verbesserung der Kommunikation.
Abwechslung und Einschätzung der körperlichen Verfassung dahin, wo ich meinem Pferd noch mehr helfen muss.
Motivation und Anregung durch freiwillige Mitarbeit über Freiarbeit, Zirkuslektionen oder Massagen.
Feedback durch Körperkontakt, Spiele und Pausen.

Und deshalb sehe ich mich als Pädagoge. Ich wäge ab, ich durchdenke, ich reflektiere, ich plane und gestalte. 
Denn warum tun wir das? Weil wir das Pferd als Schüler sehen, wir wollen ihm etwas beibringen, etwas verbessern, es wachsen (also reifen und kräftiger werden) sehen und gemeinsam von einer Klasse zur nächsten gehen. Ich jedenfalls wünsche mir immer mehr Leichtigkeit. Und diese erlange ich nur, wenn mein Pferd immer fähiger, kräftiger, geschmeidiger und ausdauernder wird. Dann kann es mich mühelos tragen. Vielleicht auch mal in der Bewegung fast auf der Stelle - im "Schweben".

Ich jedenfalls möchte tanzen - nicht befehlen.




Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich auch Tage habe, an denen ich Training Training sein lasse und nur Freude am Miteinander habe, spazieren zu gehen, die Seele baumeln zu lassen, das Pferd zu beobachten und mich zu freuen, dass wir nichts tun müssen.
Ich möchte jedoch nie vergessen, dass Seele baumeln lassen, sich wohl fühlen gegenseitig sein sollte. Und wenn ich mich persönlich in ein Pferd hinein fühle, wenn es mich trägt (und besonders dann, wenn ich die Seele baumeln lassen möchte, einfach nur abschalten möchte), das Pferd immer noch eine körperliche Herausforderung zu leisten hat - das Tragen ist ihm nicht von Natur aus geschenkt, es muss dafür etwas tun, das in meinem Verständnis jedenfalls kein Spaziergang ist.

(Warum nicht? Dann könnte Dich das interessieren: "Verantwortung - Reiten und Pferde trainieren" und "Die Bedingungen guten Reitens" in "Schule Dein Auge und Gefühl")

Wohlfühlen, den Ausritt und die Abwechslung genießen, das gestehe ich meinem Pferd zu. Es merkt schließlich, wie ich mich fühle. Jeder Druck und verbissenes Training auf dem Reitplatz ist keineswegs förderlich, weshalb ein Ausritt eine schöne Übung ist, sich selbst zu entspannen, loszulassen von "Hausgemachtem" Druck, zu hohen Zielen, zu viel Ehrgeiz ... Für mich bleibt die Freude an der Bewegung, an kleinen Ergebnissen das Wichtigste. Auch das, was mein Pferd schon kann, ist lobenswert, denn das schenkt es mir. Und wenn wir dann noch einen kleinen Schritt weiterkommen, bin ich richtig stolz.
Nur auf einem Ausritt (weil man hierbei selten an Training denkt), vergesse ich nicht die Trage-Leistung meines Pferdes und seiner Muskulatur. Die möchte ich neben dem entspannt durch die Natur reiten, so fordern und fördern, dass ich nicht zur Last werde. Mein Pferd sagt mir nämlich nicht direkt: "Hey, nun drückst du aber, kannst du endlich mal absteigen und laufen, mein Rücken hängt durch" oder "Es ist zwar schön durch den Wald zu laufen, aber bitte neben dir, mein Rücken ist die ganze Zeit verkrampft". Deshalb bleibt für mich auch der Ausritt Sport für das Pferd und ich reite dabei mein Pferd so, dass ich spüre, ob es mich losgelassen trägt, untertritt, der Rücken schwingt und es mental wie körperlich vom Ausritt erfrischt wiederkommt. Denn auch das ist für mich Pädagogik: Der Blick auf die Gesundheit, das Wohlbefinden, die körperliche Leistung des Tragens und Gerittenwerdens, die Ausrüstung und meine körperliche Fitness und mentale Verfassung.


Ich möchte gerecht sein!

Ich versuche hier das als Maßstab anzusetzen, was ich für mich selbst erwarte oder nicht möchte.
Ich beende meine Gedankengänge heute mit der Frage:

Was würde ich mir als Pferd wünschen?


Schreibe mir in den Kommentaren, was Du Dir wünschen würdest!
Woran denkst Du, wenn Du reitest oder trainierst?
Wann bist Du für Dein Pferd ein guter Pädagoge?


___________________________________________________________________________________
zum Weiterlesen:

"Die Basis für ein Reitpferd - ein Beispiel"
"In einer Reitstunde ..."

von Claudia: "Pferdemenschen: 5 Glaubensgrundsätze die sie vereinen"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen