Montag, 21. September 2015

"Schule Dein Auge" Teil 3 - die Stellung

Ich möchte hier das Thema Stellung aufgreifen und so anschaulich wie möglich verständlich machen.

 

Ohne Stellung kein korrektes Reiten oder Bewegen auf gebogenen Linien.


Das erste, was ich als Reiter für ein durchlässiges Pferd brauche, ist ein nachgebendes Genick. Im Genick kann das Pferd den Kopf festhalten und sich anspannen - das ist sozusagen der Fluchtmodus.
Das Pferd kann jedoch auch genau dort loslassen und frei für Bewegung sein. Das heißt es kann nachgeben, sich stellen und damit seinen Körper formen lassen.
Stellung ist hierbei eine kleine Bewegung im Genick, genauer zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel. Hier kann eine rechts-links Bewegung erfolgen. Das Nicken des Kopfes (Ja-Sagen) erfolgt in dem Gelenk zwischen Hinterhauptbein und erstem Halswirbel. Dieses "ja" nicken ist keine Stellung!



Stellung im Genick
Die Stellung erkenne ich daran, dass das innere Ohr "lauscht" und der Winkel zwischen Hals und innerem Ohr spitzer ist als vom äußeren Ohr zum Hals, wobei die Ohren auf gleicher waagerechter Position bleiben. Ich sehe vom Pferd aus das innere Auge schimmern und etwas die innere Nüster. Von der Seite (Longierposition) aus sehe ich das äußere Ohr vor dem inneren, den Umriss des äußeren Auges und kann etwas auf die Stirn schauen. Von vorn gesehen ist der Kopf also leicht zur Seite hin abgestellt, sollte aber immer noch vor der Brust sein - also kein weit zu einer Seite gebogener Hals. In dem Moment, wo sich das Pferd stellt, kippt der Mähnenkamm leicht in die Richtung der Stellung. Kippt er nach außen, stellt es sich nicht korrekt. Auch ist das Pferd nicht richtig gestellt, wenn die Ganasche nach außen heraus steht. Sie soll in der Seitwärtsbewegung mitgenommen werden und sich sozusagen einreihen - man fühlt eine schöne Rundung, wenn man vom Pferdekopf über die Ganasche zum Hals streicht.
Stellung ist nur eine kleine Bewegung. Zu mehr ist das Pferd anatomisch nicht in der Lage. Verlangt der Reiter mit der Zügelhand mehr, hat das Pferd nur die Möglichkeit sich im Hals zu biegen, zu nicken (abzuknicken) oder den Kopf zu rotieren (Verwerfen), also andere Gelenke zu nutzen.


Probiere es einmal selbst!


Setze dich bequem aufrecht hin, fühle die Verbindung zwischen Hals und Kopf - den ersten Halswirbel - und lass deine Finger darauf liegen. Und nun neige Deinen Kopf leicht zur Seite. Spürst Du die Bewegung im Gelenk? Neigst Du Deinen Kopf zu stark, merkst Du ein Ziehen der Muskulatur an der Halsaußenseite - drehst Du dabei Deinen Kopf, schaust Du auf die Schulter. Jedoch nur das Neigen (mit dem Ohr in Richtung Schulter) ist vom Prinzip her mit der Stellung zu vergleichen. Du merkst bei diesem Neigen ein Gefühl des Lockerns, Du bist beweglich; es zieht nicht, es drückt nicht, es ist leicht. Nun gehe mit Deinem Kinn in Richtung Brust, soweit es geht. Spürst Du unter den Fingern die Spannung im Nacken? Kannst Du immer noch entspannt den Kopf neigen? Nein? Genau. So ungefähr geht es auch dem Pferd.
Das Pferd kann sich bei einer Kopfposition hinter der senkrechten (Stirnlinie) nicht mehr stellen. Warum ist das? Lies hier bei "Wege zum Pferd" nach.
Ein zu viel ist eben zu viel und ein Drehen ist kein Neigen. Diese kleinen Unterschiede kannst Du auch beim Pferd feststellen. Zu viel ist ein gebogener Hals, aber keine Stellung. in der Biegung nimmt das Pferd dann auch seinen Hals in leichter Biegung mit, aber nicht von der Schulter aus, als ob es dort abknickt, sondern als leichte Biegung durch den ganzen Hals. Auch ein Nicken ("ja-sagen") ist keine Stellung, da hier ein anderes Gelenk genutzt wird.


Zusammengefasst ist ein Pferd nicht korrekt gestellt, wenn es zu tief und hinter die Senkrechte kommt, wobei das Genick nicht mehr höchster Punkt ist. Ein Pferd mit hoch erhobenem Kopf und fast konkarvem Hals (Fluchthaltung) oder einer gestreckten Kopf-Halshaltung, bei der die Nase fast waagerecht nach vorn zeigt, kann sich nicht locker stellen.

Keins dieser Pferde ist gestellt. Das erste hat den Hals übermäßig zur Seite gedreht, ist dort wie abgeknickt und kann das innere Vorderbein so nicht mehr frei nach vorn setzen. Das zweite ist hinter der Senkrechten, zu eng in der Ganasche und der höchste Punkt ist nicht das Genick. So kann das Pferd nicht im Genick nachgeben, es täuscht, weil es nach unten hin nachgibt. Es hat keine andere Chance, bei zu viel Zügeleinsatz und sich einen Weg. Das dritte Pferd verspannt sich im Rücken und Hals. Die Halsoberlinie ist leicht konkarv, der Unterhals ist gut sichtbar. Dieses Pferd kann sich auch nicht stellen, da es in der gesamten Wirbelsäule festhält.
Was kann ich in diesen Momenten tun? Hierfür habe ich einen eigenen Artikel verfasst: "Schule Dein Gefühl" und wie ich die Hilfen als Hilfen nutze, nicht als Befehl.

 

"Ohne Stellung keine Biegung."


Mit der korrekten Stellung als Voraussetzung kann sich das Pferd biegen. Die Biegung wird in der Halswirbelsäule weitergegeben, der Brustkorb rotiert und das Becken bewegt sich mit in Biegungsrichtung. Eine gleichmäßige Biegung durch die Wirbelsäule ist nicht möglich.
Diese Biegung kann man sich ganz einfach an einem Zug mit Anhängern vorstellen. Die Lok ist der Kopf, zwischen Lok und erstem Anhänger ist das Genick, das sich stellen muss, damit der Zug um die Kurve fahren kann. Der erste Hänger ist der Rumpf und der zweite die Hinterhand. Wiederum dort das bewegliche Gelenk ist das Becken, durch dessen Bewegung in Biegungsrichtung sich Zug und eben Pferd auf einer gebogenen Linie bewegen können ohne schief wie ein Motorrad zu werden, dass sich in die Kurve legen muss.

Dieses Pferd verwirft sich.
Wenn ein Pferd nicht locker ist, Schmerzen oder Blockaden hat oder überfordert ist, kann es sozusagen in der Stellung "schummeln". Wir tun das auch, wenn wir nicht mehr können oder eine andere Körperregion entlasten wollen, dass wir Schonhaltungen einnehmen. Das Pferd hält entweder das Genick fest (bspw. wenn es den Kopf und Hals hoch trägt und den Rücken wegdrückt) oder gibt bei der Anfrage zur Biegung und Stellung nicht nach und bleibt steif im Hals und/oder Unterkiefer.
Manche Pferde überstellen sich und entziehen sich so der Biegung, da sie dann über die Schulter weglaufen können. 
Oder sie verwerfen sich im Genick, das heißt, sie halten den Kopf schief, die Ohren sind nicht mehr auf gleicher Höhe und die Nasen-Stirnlinie nicht mehr senkrecht und nicht vor der Brust. Ein Pferd, das sich verwirft, ist nicht mehr durchlässig. Die Durchlässigkeit beginnt im Genick und soll die ganze Wirbelsäule hindurch reichen, um geschmeidig alle Anforderungen umsetzen zu können.


Verstehen und Sehen - Sehen und Verstehen


Nun folgt eine kleine Reihe von Fotos, die dazu dient, ein wenig zu vergleichen, kleine Unterschiede zu sehen und wahrzunehmen, was ist schon gut und wo könnte noch etwas verbessert werden.
Es geht nicht um Perfektion - es geht um das Gefühl, in die richtige Richtung zu stupsen.

Schule Dein Gespür für ein lockeres Genick, man sieht es im Blick des Pferdes, dem inneren Ohr, in der Bewegung. Und erreite es nicht vordergründig mit dem Zügel: wenn Du fein reiten möchtest, schule Dein Pferd auf den Schenkel und Deinen Sitz!
Überprüfe Dich und was Du siehst - stimmen die Punkte, an denen man die Stellung erkennt?
(Die Auflösung folgt weiter unten.)
Hinweis: Das Pony ist mit der Kette und in die Mähne geflochtenem Tuch geschmückt, da es der Geburtstagswunsch meiner Tochter war.)

 

Auflösung: was sehe ich - welche Zusammenhänge gibt es?

 

So sieht Stellung von der Seite aus: Das Genick ist der höchste Punkt, das innere Ohr ist lauschend nach innen hinten gedreht, das äußere zeigt aufmerksam nach vorn. Man sieht das äußere Auge schimmern und schräg auf die Stirn schauen. Der Hals wird getragen in leichtem Bogen (Oberlinie) und leichter Biegung seitlich aus der Schulter heraus.

Hier ist die seitliche Biegung des Halses zu stark geworden, wodurch die Nase nicht mehr vor der Brust ist und das Vorderbein nicht in die Richtung des Kopfes treten kann. Die Linie von einem zum anderen Ohr ist nicht mehr in Balance zur Schulterachse. Das Zuviel kann man auch daran erkennen, dass der Hals mehr Biegung zeigt, als vom Genick vorgegeben ist oder hier gar keine Stellung mehr vorhanden ist und der Hals vor der Schulter abknickt.


Hier ist es recht leicht von vorn zu erkennen, dass sich das Pferd verwirft, also im Genick rotiert und den Kopf schief trägt, statt stellend nachzugeben. In dieser schiefen Position verliert es die Balance in der Bewegung auf dem Kreisbogen, wird wahrscheinlich ungebogen sich festhaltend nach außen driften. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, dass der Longenführer nicht mit zu viel Impuls an der Longe Druck aufbaut, dem das Pferd in der Biegung nicht standhalten kann. Das Pferd sollte lernen (können), sich nach den stellenden Impulsen in Verbindung mit den biegenden und aktivierenden Gerten/Peitschenhilfen selbst in Biegung weiterzutragen und nicht mit Zug an der Longe die Zentrifugalkraft zu spüren. Denn dann bleibt dem Pferd nur ein Gegenhalten oder Festhalten im Genick.

Das Pferd verwirft sich im Genick, daran zu erkennen, dass die Linie von einem zum anderen Ohr nicht mehr waagerecht ist und die Stirn-Nasenlinie schräg verläuft im Vergleich zur Brust und den Vorderbeinen. Wenn das Pferd sich im Genick verwirft, ist auch der Rücken nicht mehr locker, aufgewölbt und schwingt nicht. Die Hinterbeine können nicht mehr unter den Schwerpunkt treten und den Brustkorb anheben (wichtig für das Tragen des Reiters). Wie in diesem Fall ist der Unterhals angespannt und mit dem Rücken im Hohlkreuz ist die Bewegung der Schulter nicht mehr frei genug. Besonders die Balance zwischen Vor- und Hinterhand ist verlorengegangen. Das Pferd verfällt in seine natürliche Schiefe und Fluchthaltung.

 

 Zusammenhänge erkennen - Beurteilung des Moments in Hinsicht auf die folgende Bewegung

 



Diese zwei Bilder (über und unter dem Text) füge ich hier an, um einerseits zu zeigen, wie eine schon recht schöne Haltung aussehen kann. Und andererseits, welche kleinen Veränderungen hier möglich wären, um aus diesem Moment das beste herauszuholen.
Man sieht oben ein gebogenes Pferd, das zum Schwerpunkt tritt, in Stellung geht und eine runde Oberlinie hat.
Je nach Einschätzung in der Bewegung kann es sein, dass der Augenmerk auf der inneren Schulter liegen sollte, diese ab und zu anzuheben, damit das Pferd nicht schief wird und mehr Last mit dieser trägt. Ein wenig mehr Rundung im Hals würde dieser Schulter zu mehr freiem Raumgriff verhelfen.
Schulterherein ist eine sinnvolle Übung, um die Schultern "beweglicher" und freier zu bekommen.

Auf dem unteren Bild bewegt sich das Pony in schöner gestreckter Haltung. Das innere Ohr lauscht, das Genick ist gestellt.
In diesem Moment kommt das Pony jedoch ein wenig tief mit der Nase - was für einen kurzen Moment kein Problem ist. Es streckt sich, löst sich und entspannt von der Anstrengung in Aktion und Übung von Selbsthaltung. Kommt ein Pferd vorn zu lange zu tief, fällt es auf die Vorhand. Es kann auch ein Zeichen von Ermüdung sein. Entweder mache ich eine Pause oder lade es wieder ein, sich anzuheben, aktiv mit dem inneren Hinterbein unter den Schwerpunkt zu treten und die Energie somit von hinten über den schwingenden Rücken und über das lockere Genick nach vorn zu lassen. So kann es schweben.
Unter den Schwerpunkt treten wird schwieriger je tiefer die Kopfposition ist. Ist die Hinterhand aktiv genug und fußt unter den Schwerpunkt, wird das Pferd sich vorn nicht tiefer begeben als ca. auf Buggelenkshöhe.




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zum Weiterlesen:

"Schule Dein Gefühl" und wie ich die Hilfen als Hilfen nutze, nicht als Befehl

von Wege zum Pferd: "Das Stellen"
von Anna Eichinger: "Stellung und Biegung"

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