Sonntag, 15. September 2013

Fragen und Wege - Teil 3

"Situationen in der täglichen Arbeit mit dem Pferd und Antworten verschiedener Ausbilder." 



Ich möchte mit einer kleinen Einführung beginnen, die das Thema auf den Punkt bringt: 
 
Ich habe vor einer Weile in einer Reithalle zugeschaut und eine junge Frau mit einem Pferd beobachtet, die dieses Pferd "ablongierte". Es raste im Kreis herum, total schief, verkrampft und ängstlich. Erst wollte ich wegschauen, dann habe ich eine danebenstehende Frau angesprochen, die mir so aussah, als ob sie etwas zu sagen hat, evtl. die Begleiterin oder Ausbilderin ist. Tja, sie war so überzeugt davon, dass das gut so ist und ja nur kurz sein wird und das legt sich schon, das Pferd muss ja nicht rennen, es muss aber ablongiert werden, denn wenn sie (eine Stute) sonst geritten würde, wäre das unter dem Reiter genauso, sie rennt sonst nur und und und. 
 
Ich habe sie gefragt, was sie damit bewirken möchte, welchen Lerneffekt das für das Pferd haben soll und dass es gesundheitsschädlich ist, dass gutes Reiten kein Ablongieren braucht oder wenn man dem Pferd entspannt zeigt, was man möchte, es nicht rennen muss, sondern mitdenken kann und die Beine "heil" bleiben - und so ähnlich. Sie wollte nicht verstehen, oder annehmen; ihr Weg sei der richtige, es sei ok so und das Pferd wird keinen Schaden nehmen, sie habe es ja schon immer so gemacht - waren ungefähr ihre Antworten.

Rund ums Thema Longieren sind in meinen Augen Babette Teschen und Tania Konnerth die Experten, die eine wundervolle Arbeit machen und sie weitergeben, damit Pferdebesitzer/Reiter und Pferde lernen und verstehen, wofür Longieren da ist und was es als Ausbildungsweg bewirken kann.

Babette hat mir auf die beschriebene Begebenheit geantwortet und mir erlaubt,
einen Text von Tania in meinem Newsletter zu teilen: (die blauen unterstichenen Wörter sind Links zu weiteren Texten, hier aber nicht verknüpft, die auf der Homepage von Babette und Tania eingesehen werden können, der Link befindet sich am Ende)


Babette: „...das Ablongieren so wie Du es beobachtet hast, wo also das Pferd in Schräglage wie von der Tarantel gestochen um den Menschen zentrifugiert, halte ich für äußerst schädlich für das Pferd, gleichermassen für den Körper, wie auch für die Psyche. Tania hat dazu einen ausführlichen Blogbeitrag geschrieben, der es für mich 100% ig trifft.“


Obwohl dieses Pferd nicht longiert wird, ist die Schräglage zu erkennen. Pferde kennen keinen Kreis, deshalb nehmen sie Kurven eher wie ein Motorrad. Longieren wir ein Pferd und es läuft längere Zeit auf einem Kreis, wäre diese Schräglage schädigend, besonders wie hier in hohen Gangarten. Es muss also lernen, sich in Stellung und Biegung auf dem Kreis zu bewegen.

 

Das leidige Thema “Ablongieren”



“Dann longier ihn halt ab!” - das wurde mir früher geraten, wenn mein Pferd lustig drauf war. Dieses Ablongieren bestand dann darin, das Pferd an die Longe zu nehmen und so lange im Kreis rasen zu lassen, bis es “sich beruhigt” hatte. Eine Praxis, die man überall immer wieder sehen kann.
Mich hatte der Rat schon damals nicht überzeugt.

  • Erstens hing ich ungerne an einer Longe, an dessen anderem Ende ein Pferd wie blöde zog und raste.
  • Zweitens schien mir diese Praxis alles andere als gesundheitsfördernd für das Pferd zu sein.
  • Und drittens fragte ich mich, ob ich auf diese Weise meinem Pferd nicht eine enorme Kondition antrainieren würde, von der ich mir nicht sicher war, ob ich diese dann in Zukunft händeln könnte.

Ich habe mich also schon damals gegen diesen Rat entschieden. Jetzt, mit dem Wissen über die biomechanischen Zusammenhänge und das was gutes Longieren ausmacht (s. auch unseren Longenkurs), kann ich nur noch dringend vom herkömmlichen Ablongieren abraten. Ihr gefährdet damit nicht nur die Gesundheit Eurer Pferdes, sondern Ihr sabotiert auch noch jeden Ansatz von sinnvoller gymnastizierender Arbeit. Und nein, der Griff zu Ausbindern oder Dreieckszügeln macht die Sache leider auch nicht besser. Ganz im Gegenteil: durch die Hilfszügel erfährt das Pferd beim Toben auch noch erhebliche Schmerzen und wird auf diese Weise sowohl mit dem Gebiss als auch mit dem “Longieren” Negatives verbinden.

Was aber tut man nun, wenn ein Pferd offensichtlich zu viel Energie hat und man diese Energie nicht unbedingt vom Sattel aus ausgelebt sehen will? Dazu habe ich einige Tipps zusammengestellt.


Tipp 1: Haltung überprüfen
Als Erstes würde ich mir Gedanken über die Haltung machen:

  • Hat mein Pferd ausreichend Bewegung?
  • Wirklich?

Ein paar Stunden auf einem Paddock reichen für kein Pferd aus. Pferde sind Bewegungstiere und sollten die Möglichkeit haben, sich am besten rund um die Uhr frei bewegen zu können. Auch sollte jedes Pferd Kontakt zu anderen Pferden haben, um seinen Spieltrieb ausleben zu können. Gerade bei “heißen” Rassen sind ausreichend Bewegungsmöglichkeiten ein Muss. Stimmen die Haltungsbedingungen grundsätzlich nicht, bleibt alles ein Herumdoktern an Symptomen.


Tipp 2: Fütterung überprüfen
Zweitens wäre die Fütterung zu überprüfen:

  • Bekommt das Pferd vielleicht über das Futter zu viel Energie, die es gar nicht ausleben kann?

Viele Pferde bekommen große Portionen Kraftfutter, ohne dass sie entsprechend gearbeitet werden. Der dadurch aufgebaute Energieüberfluss entlädt sich dann oft unkontrollierbar.

Notwendig sind ausreichende Raufuttergaben (ohne die es übrigens schnell zu gesundheitlichen Problemen kommen kann, die sich in so genannten “Widersetzlichkeiten” äußern – Pferde mit Magenschwüren können z.B. durchaus – und verständlicherweise – ungnädig reagieren), aber beim Kraftfutter ist weniger oft mehr.



Tipp 3: Eigene Ausstrahlung überprüfen

Drittens würde ich meine eigene Ausstrahlung überprüfen:

  • Mit wie viel eigener Anspannung komme ich zum Pferd?
  • Wie viel Druck ist in mir, der sich aufs Pferd überträgt?
  • Wie kann ich selbst mehr innere Ruhe und Gelassenheit entwickeln, die dann auch auf mein Pferd ausstrahlt?

Wenn ich selbst unter Dampf stehe, muss ich mich nicht wundern, wenn es auch mein Pferd ist. Hier gilt es, erst einmal an meiner eigenen inneren Gelassenheit zu arbeiten, bevor ich von meinem Pferd Ruhe und Entspannung fordere.


Tipp 4: Arbeit überprüfen

Viertens ist die Art der Arbeit zu überprüfen:

  • Hat mein Pferd Freude an dem, was ich mit ihm mache oder fürchtet es vielleicht Stress, Druck oder gar Schmerzen?

Ein Pferd, dass die kommende Arbeit fürchtet, kann versuchen, sich seiner Angst und den unguten Erwartungen durch Bewegung zu entledigen. Hier sind zum einen gesundheitliche Probleme auszuschließen und die Ausrüstung ist zu überprüfen (ein nicht passender Sattel bringt viele Pferde zum Rennen und Buckeln). Und hier ist auch die Art der Arbeit zu prüfen:

  • Kann das Pferd leisten, was verlangt wird oder ist es überfordert?
  • Versteht es, was man von ihm will oder muss man noch einmal neu ansetzen?
  • Ist die Arbeit abwechslungsreich und interessant für das Pferd?


Fazit: Ablongieren ist aus meiner Sicht die schlechteste aller Lösungen

Bewegungsdrang und Energie gehören zum Pferdsein dazu. Es gilt, dass diese auf eine pferdegerechte Art ausgelebt werden können. Ein Ablongieren gehört ganz sicher nicht dazu.

Wenn ich merke, dass meine Pferde “gut drauf” sind, lasse ich sie vor der Arbeit in die Halle zum Toben. Dort kann dann der eine oder andere Buckler herausgelassen und ein bisschen Freiheit gelebt werden. Hier reichen oft wenige Minuten.




 


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Artikel zum Weiterlesen:

Fragen und Wege - Teil 1
Fragen und Wege - Teil 2
Fragen und Wege - Teil 4


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