Dienstag, 23. Februar 2016

Nur Mut! Lebe und wachse mit den Umständen, statt unter dem Druck der Perfektion zu verhärten.

Das heutige Thema ist für mich nicht nur essenziell, sondern auch ein Teil meines Weges und meiner Chance mit und an meinen Pferden zu wachsen.
Ich möchte Dir hiermit meine Gedanken und Erfahrungen mitgeben, die es Dir hoffentlich erleichtern, Deinen Druck zu nehmen und die Probleme von Dir und Deinem Pferd spielerischer anzugehen.


Das Training eines Pferdes ist zwar in dem Sinne kein Spiel - Sport ist anstrengend - aber Anstrengung ist leichter und kann Spaß machen, wenn die Haltung stimmt. Die kann auch im Spiel und mit Freude geleistet werden.

Hier habe ich einen Artikel zu dem großen Thema des Pferde-Trainings in Hinsicht auf die Gymnastizierung.

Von der Voraussetzung und dem Weg


Zählen wir einmal auf, was Du sicher schon weißt, aber zum Pferd gehört wie das Dach zum Haus.
- Pferde sind von Natur aus schief.
- Pferde haben damit eine Schokoladenseite und die bevorzugen sie in der freien Bewegung.
- Pferde haben aufgrund der Schiefe ihre eigene Balance - nur nicht gerade eine gute Voraussetzung für das Tragen eines Reiters. Deshalb trainieren und stärken wir unsere Pferde ja auch. Und wir bemühen uns sie auf beiden Körperseiten gleich gut zu stärken und zu dehnen.
- Auch etwas schiefes kann im Gleichgewicht sein, wenn es sich von der Form und Kraft her ausgleicht.

Schau Dir dieses Bild an: Eine Waage im Gleichgewicht besteht, wenn sie gleich gewichtet ist. Doch können Körper diese Art von Gleichgewicht verlassen. Diese beiden Körper befinden sich in dieser Sekunde nämlich in völliger Balance ohne vom Gleichgewicht symmetrisch zu sein. Was nicht symmetrisch ist, wird durch Kraft und Gegendruck muskulär ausgeglichen.

So ist es auch beim schiefen Pferd. Das Pferd kommt damit prima zurecht. Solange es nicht unter einem Reiter gezwungen ist, sich zusätzlich auszugleichen und wider seiner Natur auf gebogenen Linien zu gehen. Pferdetraining setzt ebenso hier an, nämlich das natürliche Gleichgewicht in dieser neuen Situation und Bewegung zu finden.

Wenn das alles nur einfach wäre! Nicht nur das Pferd hat zu tun, mit dem Lernen und sich körperlich anstrengen. Auch der Pferdemensch muss lernen, zu verstehen, zu sehen, zu dosieren und zu helfen. Gern würde ich hier den Punkt so stehen lassen. ABER? Aber was ist mit den Momenten, wo man gerade keine Lösung parat hat außer weitermachen, drüber hinweg sehen oder hoffen?

Ja, davon kenne ich ein paar Momente. Jedes Pferd hat manchmal so seine Herausforderungen an mich. Diese Eine möchte ich mit Dir teilen. Vielleicht kann sie Dir Mut machen, wenn Du einmal in eine Situation kommst, in der Du keine Lösung weißt, erst mal weiter machst, drüber hinweg siehst oder auf ein stilles Wunder hoffst.

Was sind das für Herausforderungen oder Probleme? Ja, wenn ich sie nicht kenne, sehe ich sie vielleicht gar nicht als solche.
Ein Pferd, das sich ständig verwirf, ist so eine Herausforderung an die feine und korrekte Hilfengebung, das Gefühl für die Stellung und braucht das Wissen, was, wann und wie.
Ein Pferd, das schnappt, bettelt oder aufdringlich ist, kann zur Herausforderung werden. Denn ruhiges Arbeiten kann schwer sein, Konzentration auch und die Ruhe zu bewahren, statt zu strafen und die Emotionen Herr werden zu lassen.
Ein Pferd, das durchgeht, buckelt oder über eine Schulter drängelt, den Führer überholt, am Strick zieht, all das können kleine alltägliche Herausforderungen sein.

Die Frage ist hier: was mache ich jetzt und heute? Was ignoriere ich, wo muss ich unbedingt Rat suchen oder einfach weiter dran bleiben? Und woran liegt es, dass es so ist wie es ist?

Weißt Du was? Manchmal ist es nur eine Kleinigkeit in Dir selbst, die über Sein oder Nichtsein entscheidet. Diese Kleinigkeit musst Du NUR finden. Sie kann Deine Haltung sein, Deine Einstellung, Deine Körpersprache oder Konzentration, Deine Sorgen, zu großen Ziele oder Schritte.


Wenn der Weg nur leicht wäre! Zum Glück nicht, denn dafür birgt er wirklich eine wunderbare Chance zu wachsen und an seinen Hürden zu reifen.
Wenn der Weg doch nur gradlinig wäre und ich wüsste, was zuerst und danach zu tun ist! Zum Glück gibt es keine Patentrezepte in der Pferdeausbildung. Denn jedes Pferd ist Einzigartig. Und das ist Deine Chance. Werde der beste Trainer für Dein Pferd. Wenn Du es richtig kennenlernst, verstehst, was die Biomechanik eigentlich ist und Dich auf Dein Gefühl verlässt fehlt nur noch das i-Tüpfelchen: Zeit und Mut. Perfekt ist dabei wirklich unwichtig.

Von der Haltung und dem Ziel


Mit der richtigen Haltung ist jeder Tag wie ins Ziel laufen. Für mich spielt es eine große Rolle, zufrieden zu sein, mit Freude die Zeit mit meinem Pferd zu verbringen, weil ich dann wirklich auf seine Bedürfnisse und Gefühle eingehen kann. Die Persönlichkeit des einzelnen Pferdes spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Jedes ist anders und braucht mich in einer Haltung, die ihm in Respekt, Würde, Klarheit und Sicherheit begegnet. Das Miteinander sollte geprägt sein von Freundschaft und Partnerschaft, Fragen und Zuhören, als auch spielerisch die kleinen Trainingsziele so einzubauen, dass die körperlichen Verbesserungen (wie Biegung, Geschmeidigkeit, Takt, Selbsthaltung oder Hankenbeugung) Mensch und Pferd richtig stolz machen - richtig ehrlich stolz und glücklich - fühle das mit jeder Pore und Dein Pferd wird sich gern wieder für Dich anstrengen.

Genau das ist ein Geheimnis: Arbeite an Dir und Deiner Haltung (innerlich wie körperlich) und Deiner Einstellung und Du wirst jeden Tag kleine Wunder erleben, die man Ziele nennt. Es gibt nicht das eine Ziel. Ziele sind nicht die Perfektion. Ziele sind kleine Wunder, kleine Verbesserungen und kleine überwundene Hürden.

Deshalb kann ich mich schon bei einer Kleinigkeit freuen, auch wenn sie gestern schon besser war oder ich dachte, wir müssten doch eigentlich schon weiter sein. NEIN! Jetzt ist ein Wunder, ein Ziel, was mir mein Pferd freiwillig in partnerschaftlicher Zusammenarbeit anbietet oder wie es sich anstrengt, eine Frage meinerseits in seinem Verständnis zu beantworten. 

Ich habe laaaaaange über ein Problem meiner Stute Shira hinweg gesehen. Nicht, dass ich nicht daran gearbeitet hätte oder es ignoriert habe. Wir haben systematisch versucht, das "Problem" so anzugehen, dass Besserung in Sicht war ohne sie zu überfordern oder zu zwingen. Mit Druck geht dann nämlich mal gar nichts.
In diesem Fall wäre Druck sogar egal gewesen. Shira galoppiert nämlich auf der linken Hand im Kreuzgalopp. Zwingen kann ich sie höchstens zum Galopp, aber nicht mit welchem Bein sie anspringt. Nur Zwingen bringt rein gar nichts, weil sie damit nur noch schiefer und hektisch wird und ich damit mein Begleitziel Gymnastizierung unter den Tisch kehre. 
Was haben wir? - Eine positive Grundhaltung und keinen Druck etwas erreichen zu müssen. Denn weißt Du, Druck schadet meist Dir und Deinem Pferd. Und Druck, ja für wen? Und mit welchen Konsequenzen und Einbußen an Freude, Harmonie, und schön verbrachter Zeit? Ich denke, ich messe meine Ziele einfach nur an mir und meiner schönen Zeit mit meinem Pferd, nicht an dem was andere machen, wollen oder sagen. (Außer, sie sind für mein Pferd wichtig.)
Was haben wir noch? - Kleine Ziele! Und eins dieser war für mich und Shira, sie einfach so oft es ging zu biegen, in Balance auf gebogenen Linien zu bringen, zu lösen und zu stärken.
Wir haben immer wieder Pausen gehabt und Zeiten, in denen wir intensiv und viel "arbeiten" konnten. Oft jedoch (nur) an der Basis, die wichtig genug ist: Stellung, Biegung und entspannte Bewegungen mit schwingenden Rücken. Für Shira kein Leichtes. Ihr aufgesetzter Friesenhals ist nicht gerade der, der schon immer gern in die Tiefe "wuchs". Und mit ihrem etwas überbauter Körper gibt sie nicht freiwillig den Rücken her oder nutzt das Becken aktiv für den Raumgriff. Die Schiefe tut sowieso ihr Übriges und ist so auch nicht zu eliminieren. Händigkeit bleibt Händigkeit, auch wenn sie sich sehr wohl anstrengen kann und mit Begleitung für mich wunderbar in Biegung laufen kann. Man hat eben den Körper den man hat. Und damit muss man leben. Anstrengen geht trotzdem. Und das haben wir. Ich bin wirklich stolz auf ihren Trab und die feinen Reaktionen, wenn ich Biegung oder das Anheben der inneren Schulter erfrage. Doch beim Galopp war das hinfällig. Und hier sage ich eben: NUR MUT! Lebe mit den Umständen: dann ist der Galopp erst mal wie er ist. Nicht ideal, aber auch nicht schlimm. Hier lehne ich mich weit aus dem Fenster. Jedoch absichtlich. Denn Perfektion ist für viele nicht erreichbar. Dafür reicht die Zeit nicht, oder man hat keinen guten Trainer oder das Können fehlt oder .... Das heißt nicht, dass wir die Ziele der Gymnastizierung außer Acht lassen oder vergessen, wie wichtig gute Basisarbeit ist und ein Pferd für das gesunde Gerittenwerden zu trainieren und zu stärken. Das heißt, dass ich etwas nicht mit Druck erzwingen muss. Nicht jetzt.
NUR MUT! Das heißt nämlich auch, dass Du mit kleinen Schritten weitermachst oder Deinen Anspruch herunterschraubst. Ist der Galopp nicht gut, dann stimmt davor in der Ausbildung auch etwas nicht. Ist der Galopp nicht gut, ist auch schon beim Trab oder Schritt nicht alles bestens. ich gehe deshalb immer wieder zurück zum Schritt, dehne beide Körperseiten, kräftige beide Hinterbeine und bringe meine Pferd immer wieder an den einzelnen Körperteilen in Balance. Von da aus kann ich mich Stück für Stück weiter vor wagen und fragen, was mein Pferd mir anbietet. 

Ohne Druck werden Bemühungen zu Geschenken


Und in so einem Moment hat mir Shira ein Geschenk gemacht. Sie ist richtig angaloppiert und hielt den Galopp und das beim ersten Mal. Wahnsinn! Dachte ich. Und mit diesem Geschenk habe ich wieder einmal mehr gelernt und verstanden. Warum jetzt und was habe ich anders gemacht? Kann sie es wieder? Was brauchte sie dafür? Und wie ist sie im Allgemeinen körperlich drauf? Ich muss natürlich Blockaden und körperliche Probleme ausschließen. Das wichtigste dann ist, sein Pferd gut zu beobachten und die Bewegung in den Gangarten gut zu kennen. Denn dann erkenne ich auch, was ein Pferd für den Galopp (oder anderes) braucht und wie ich es dahingehend stärke. Das ist ein Lebensweg. NUR MUT! Auch wenn Du jetzt nicht alles weißt. Jeden Tag wird es mehr. Und das ist gut und genug. Nur höre nicht auf, zu lernen und weiter zu streben. Jeder Umstand, jedes "Problem" ist zum Wachsen da und nicht, um unglücklich zu sein. 
Wenn das nur so einfach wäre. Auch im Leben außerhalb des Bezugs zu Pferden würde ich das gern immer so sehen und verinnerlicht haben. Was wäre ein perfektes Leben - vielleicht langweilig oder? Mann wird nur besser, wenn man einen Grund dazu hat. Wäre alles perfekt, würde ich so bleiben wie ich bin. Also: Herausforderungen sind Deine Chance.

Die Sache mit den Ausreden


Mut ist gut, kleine Ziele setzen auch - doch wenn ich sage, lebe und wachse mit den Umständen, dann heißt das nicht, sich auf Ausreden auszuruhen oder Probleme zu ignorieren, weil ich nicht weiter weiß. 
Ich könnte ja sagen: "Ach mein Pferd galoppiert links im Kreuzgalopp. Das ist bei ihr eben so." 
Oder: "Mein Pferd ist eben schief. Ich habe auch ein starkes und ein schwächeres Bein."
"Ich will doch nur ausreiten. Da galoppiert sie auch wie sie will. Und so viel Zeit habe ich dann auch nicht."
Faule Ausreden!
"Nein, ehrlich, die Shira war schon immer so, blockiert ist nichts, sie ist eben so. Und Galopp ist Galopp."
Nein, Spaß beiseite. Ausreden gibt es nicht. Nur Druck und verbissenes Training bringen gar nichts. Auch ist es nicht so wichtig, ob ich heute oder morgen oder nächstes Jahr einen Schritt weiter komme, wenn ich nur dran bleibe. Ein Guter Rat oder ein guter Lehrer haben auch noch keinem geschadet. Nur Professor werden, das muss nicht jeder. Aber gesund bleiben, das wollen wir alle. Und ebenso die Pferde. Das ist für mich der einzige wirklich wichtige Grund, warum ich den kleinen "Problemchen" eben doch Stück für Stück auf den Grund gehe und daran arbeite: dass sie alle zum gesunden Bewegen meines Pferdes gehören. Denn ein Kreuzgalopp auf dem Zirkel ist nicht gerade das, was ein Pferd gesund hält. Schiefes Bewegen auf dem Kreis belastet den Körper und die wirkenden Kräfte sind nicht zu unterschätzen. Also, nicht auf "Teufel komm raus" Hauptsache galoppieren. Jedoch mit Mut und Geduld nicht aufgeben.



Jetzt fragst Du Dich vielleicht: "Und was ist mit dem Thema Kreuzgalopp?"

Die Frage ist berechtigt. Und deshalb habe ich diesem Thema einen eigenen Artikel gewidmet, den Du hier findest und nachlesen kannst:

"Galopp kennen, Kreuzgalopp korrigieren: Vorbereitendes Verständnis für die praktische Umsetzung"


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zum Weiterlesen:

1. Schule Dein Auge und Gefühl
2. Was haben denn die Innere Einstellung, Motivation und Gefühle mit der Körpersprache und Körperhaltung zu tun? 
3. Höflichkeit im Umgang mit dem Pferd

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