Montag, 18. April 2016

Was reiten wir und warum? Reiten ist heute ein Geschenk, wir müssen es nicht. Warum dann? - Gedanken um Reitkunst und Kommunikation

Warum hast Du ein Pferd oder warum reitest Du?


Im letzten Artikel ging es mir um das Thema: "Stempel drauf - das ist eben so. Statt Symptome zu behandeln, sollten wir lieber nach den Ursachen suchen und sie verstehen" Also mehr um das Reiten und wenn Probleme auftreten.

Heute stelle ich mir Fragen zum Reiten überhaupt:
Was ist Reiten? Das ist eine interessante Frage. Was ist es für Dich?
Warum Reitest Du? Hast Du ein Bild von dem, was Du erreichen willst? Geht es mehr um ein Gefühl oder um ein Ergebnis?



Ich kann nur für mich sprechen, was ich mir wünsche und anstrebe:

Eine Partnerschaft mit einem so wunderbaren und eleganten Tier, das zurück gibt, was ich anfrage, das sich leiten lässt und mich spiegelt  - ist das nicht fantastisch?

Ich darf auf einer großen Kraft sitzen und kann diese sogar noch lenken. Wir können uns eins fühlen und zusammen arbeiten. Das ist für mich ein Geschenk.
Ich mag nicht gegen diese 500 kg kämpfen. Auch nicht diese unterdrücken. Denn ein Partner oder Freund ist garantiert niemand, dem man befielt.

Ich möchte meinem Pferd in die Augen schauen und sagen können, diese sehen mich freudig und entspannt an. Genauso möchte ich auch selbst ausstrahlen können, zufrieden und voller positiver Energie zu sein. Bisher kenne ich niemanden, der gern unglücklich ist.

Wer möchte nicht im Job, der Familie und unter Freunden einen ehrlichen Respekt verdienen. Gestehen wir diesen unserem Pferd zu, werden wir auch Hochgefühle zurückbekommen. Warum? Weil sich das Pferd gern anstrengt und mitmacht. Aber nicht unter Zwang.

Ich reite, weil ich gern tanze, das Gefühl zusammen zu schweben und sich in Leichtigkeit zu bewegen, für mich etwas ganz Großes und ein wunderbares Ziel und Ergebnis sind. Dafür lerne ich das tanzen, um meinen Partner auch wirklich führen zu können. Ich muss die Schritte (Gangarten) kennen, ich muss den Körper (Biomechanik) des Partners kennen und ich muss auch dafür sorgen, diesen und meinen geschmeidig dafür zu machen, diesen Tanz umzusetzen.

Einen steifen Partner kann man nicht über den Tanzboden schweben lassen. Und von einem unkoordiniert führenden Tänzer kann sich niemand führen lassen ohne die Führung selbst zu übernehmen, sich zu weigern oder ein Nichtverständnis zu äußern. Wundern wir uns also nicht, wenn es nicht klappt. Wir müssen den Tanz erst lernen und uns selbst schulen, geschmeidig die Schritte im Takt und mit Gefühl zu gehen. 

- Kannst Du ohne Pferd, hier, auf Deinem Stuhl den Schritt-Rhythmus nachmachen?`Wie sieht es mit dem Trab aus, wohin bewegt sich Dein Becken. Und der Galopp? Mit welchem Bein beginnt das Pferd, welche Fußfolge ist richtig? Du kannst Salsa nicht tanzen, wenn Du die Schrittfolge nicht kennst. Und ohne Takt wird sich auch niemand auf Dich einstellen können. Das lernen wir also zuerst: Fühlen, Folgen und Verstehen.

Und auch das Pferd muss den Partnertanz (das Tragen in Balance) lernen, um sich damit gesund zu bewegen. Ein Tanz wäre kein Tanz, wenn am Ende einer einen kaputten, verspannten Rücken hätte oder sich wichtige Muskeln zurückentwickeln. Geschmeidigkeit, Takt und Energie in die richtige Richtung sind wichtig, um sich gesund und freudvoll zu bewegen. Es wäre doch schade, wenn man einem Tanzpaar die Anstrengung, Schmerz oder Zwang ansähe! Jedenfalls würden diese bald aufhören und in einem Wettbewerb nie vorankommen, geschweige denn gewinnen.

Komisch, dass das bei den Pferden auf der Turnier-Tanzfläche aber Gang und Gäbe ist. Und das wird auch noch bewertet, weil etwas spektakulär aussieht. Aber wer genau hinschaut (ja das Sehen muss man lernen, wir lassen uns gern durch Äußerlichkeiten täuschen), sieht Unwillen, Verspannungen, falsche Bewegungen, Schmerz ... Warum?


Ich jedenfalls wünsche mir einen Tanz ...


... und wenn nur für mich, der auf meiner Tanzfläche durch Harmonie, Schönheit der Bewegung, gefühlte Einheit und Geschmeidigkeit, Austausch und Beweglichkeit besticht. Ich will sie fühlen.


Wozu gibt es die klassische Reitlehre, die Lehren der Meister der Reitkunst?
Warum gibt es Tanzlehrer?

Weil man als Tänzer oder Reiter nicht vom Himmel fällt oder geboren wird und die richtigen Bewegungen lernen muss.

Und richtig bezieht sich hier auf die Biomechanik, die Hilfengebung und Schritte der Ausbildung. Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichten und Versammlung sind nicht einfach nur Wörter. Wer sie begreift, versteht, was sie bedeuten und warum. Dann sagt man überzeugt: Ja, so lerne ich tanzen. Weil man den Weg und das Ziel sieht, versteht und jeder kleine Schritt schon etwas besonderes ist.

>> Wer aus dem Takt ist oder nicht locker und beweglich, wird nicht geschmeidig tanzen können. <<

>> Wer den Partner nicht fühlt, führen kann oder spürt, wo dieser die Balance verliert, wird keinen Paartanz tanzen können. <<

>> Wer die Energie der Bewegung nicht durch den Körper in die Bewegungsrichtung fließen lassen kann, wird der Musik nicht folgen können, den Partner stören und Eleganz nie erreichen. <<

Wenn Energie nach rechts fließt, man nach links will, geht das nicht. Wenn man seinen Schwerpunkt nicht trägt, muss man gehalten werden und stört den Tanz. Schwung hat sehr viel mit Balance und Losgelassenheit zu tun. Die Energie darf nicht im wichtigsten Körperteil, der Verbindung des Körpers, verlorengehen - und das ist der Rücken.

Wer nicht in Balance ist, wird Schwierigkeiten bekommen, für sich oder mit dem Partner. Geraderichten hat viel mit Balance zu tun und dem Fluss der Energie als auch der Kraftübertragung. Es bringt nichts, wenn Energie im Tanzschritt in eine falsche Richtung verlorengeht, der Fuß schräg aufsetzt und damit Gelenke falsch belastet. Es bringt auch nichts, wenn man zu sehr in seiner Rechtshändigkeit festhängt und damit blockiert ist, links genauso stark, geschmeidig und harmonisch zu tanzen.


Und möchtest Du die Kunst des Tanzes beherrschen lernen, wirst Du nicht drumherum kommen, Deine Beine Dich im Gleichgewicht tragen zu lassen, denn diese tragen und bewegen auch Deinen Partner. Gerade, wenn es um Bewegungen geht, wie vom Partner hochgehoben oder gebeugt zu werden, braucht dieser völlige Balance und Sicherheit, sonst kippt oder fällt nicht nur einer, sondern beide.

Das ist beim Reiten wie im Tanz. Und deshalb ist es eine Kunst und diese kann wunderschön sein.

Ich möchte sie fühlen.


UND Reiten ist auch Kommunikation ...


... eine Unterhaltung in einer gemeinsamen Sprache.

Hört sich gut an, ist aber ein langer Weg dahin. Wieso?
Ich bin ein Mensch. Das Pferd ein Tier. Wir sprechen eine andere Sprache. Wir nehmen uns schon heraus, dass das Pferd uns verstehen muss (soll) - erlauben wir uns auch, so viel wie möglich seine Sprache zu lernen. Aber das geht so oder so nur mit Akzent, denn wir haben die Voraussetzungen eines Pferdes nicht und dieses unsere nicht. Also ist der Weg, zu lernen, sich in der Mitte zu treffen. Wir versuchen das Pferd zu verstehen - und glücklicherweise sind Pferde sehr motiviert uns zu verstehen. Sie interpretieren unsere Körpersprache und Ausdrücke und spiegeln, was sie daraus verstehen. Es ist an uns, diese Antworten zu lenken, ihnen zu begegnen und so dem Pferd mitzuteilen, was richtig ist. Stück für Stück kann das Pferd unsere Signale umsetzen und wir bauen eine Sprache auf, in der es ein Miteinander ist: ein Fragen, Antworten, Loben, Verbessern, Formen und Leiten. Dann kann daraus ein Paartanz werden.

Es liegt also an uns, unsere Form der Sprache mit dem Pferd bewusst und gezielt zu etablieren, um seinen Willen und Körper mit uns in Einklang zu bringen. Nicht mit Druck und Zwang! Sein Wille bleibt frei, es kann sich aber uns anschließen, wenn es merkt, dass es sich lohnt. Wir müssen es also wert sein, dass so ein stolzes wunderbares Lebewesen mit uns Zeit und einen Tanz verbringen will. Das geht über Respekt und Beziehung, Vertrauen und Partnerschaft.
Einklang heißt also, auf einen Nenner kommen und in eine Richtung schauen.

Das heißt nicht, gegen die Wand des Willens oder Körpers des anderen zu rennen und anzukämpfen. 

Und das heißt, nicht lauter, gewalttätiger zu werden oder sich ununterbrochen zu wiederholen, wenn uns das Pferd nicht versteht. Es nützt ja auch nichts, wenn ich eine Sprache, die für Dich fremd ist, nur lauter, aggressiver wiederholen oder Dich schlage, um Dich zum Verstehen zu zwingen. Geht nicht. Du verstehst es nicht besser. Hilfreicher ist, sich zu fragen, was ich anders machen kann - ob ich mich richtig verständlich gemacht habe - oder ob die Basis der Kommunikation hier noch zu lückenhaft ist. Dann muss ich zu dem zurückkehren, was wir beider schon kennen und verstehen.

Denn lernen kann man nur in einer positiven Umgebung, wohlwollenden Atmosphäre und wenn man nicht abgelenkt ist oder Angst hat.

Es geht also beim Tanz auch darum, die Tanzatmosphäre so zu gestalten, dass man nicht schon nass vor Schweiß ist, weil man vor dem Tanzlehrer Angst hat. Man lernt nicht von und mit jemandem, den man nicht respektiert, den man nicht leiden kann, vor dem man Angst hat, dem man nicht vertraut oder den man nicht ernst nimmt. Ein gutes Stück Pädagogik gehört schon dazu, ein Pferd zu trainieren.

Wichtig ist, dass wir nicht schneller wollen und machen als wir können. Wir müssen für jeden weiteren Schritt die Basis an Kommunikation, Verständnis und Können legen. Mit einer guten Basis können wir uns weiter vorarbeiten.



In diesem Sinne, werde selbst ein guter Tänzer, um mit Deinem Pferd ein wunderschönes Tanzpaar zu werden und harmonisch und in Leichtigkeit jeden Tanz auszuführen, den Dein Geist will. Schule Dein Pferd, dass es Dir ein geschmeidiger Tanzpartner sein kann, der Dich versteht und trägt und nicht durch die Gegend schleppt.

Viel Freude auf Eurer Tanzfläche.



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zum Weiterlesen:

Hier habe schon einmal etwas zum Thema Basis geschrieben: "Die Basis für ein Reitpferd"

Das Thema, warum Pädagogik für uns Reiter eine Bedeutung hat, findest Du hier: "Warum Reiter gute Pädagogen sein sollten."

Und hier gibt es noch etwas zum wichtigen Thema Einstellung und ihren Einfluss auf unsere Kommunikation: "Was haben denn die innere Einstellung, Motivation und Gefühle mit der Körpersprache und Körperhaltung zu tun?"

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