Montag, 20. Juli 2015

Das STOP-Männchen

Kennst Du das auch?

Ich habe mich heute so sehr auf die schöne Zeit mit meinem Pferd gefreut, mir etwas vorgenommen oder vorgestellt, wie es sein wird ......

und dann ruinieren mir die äußeren Umstände die Atmosphäre. 
(Der Wind lenkte das Pferd ab, klappernde Eimer machten es hungrig oder Stimmen nahmen die Ruhe)

Wenn es bloß das STOP-Männchen gäbe!

Genau dann, wenn äußere Reize stärker sind als meine Anwesenheit und so stark ablenken, dass ich merke, ich werde wütend und möchte mit Druck durchsetzen, dass sich mein Pferd konzentriert: bräuchte ich das STOP-Männchen - das in meinem Kopf "STOP!" ruft. 
Mit diesem Stop atme ich ruhig ein und aus, zähle bis 3 und schaue mir die Situation nocheinmal an. 
  • Was will ich?
  • Warum will ich das?
  • Muss es genau das sein?
  • Was kann mein Pferd unter diesen Umständen?
  • Was können wir jetzt gemeinsam erreichen?


Und dann könnte ich klar sehen, dass mein Ziel ein völlig anderes war, als im Jetzt möglich ist. Ich könnte z.B. daran arbeiten, auf Anfrage ans Pferd (bspw. Locken am Kappzaum) ein zuhörendes Ohr zu bekommen. Oder ich könnte als Ziel nehmen, dass mein Pferd still steht und auf meine nächste Frage wartet. Nur einen Moment - und Stück für Stück länger. So wäre ich nicht frustriert und das Pferd würde mich verstehen.
Pause - zuhören - neu anfangen
 

Kennst Du das auch?

Ich bin gerade so vertieft in eine Lektion und denke, wir können doch noch mehr ......

und dann verkrampft sich mein Pferd, wird hektisch oder verliert die Motivation.

Wenn es bloß das STOP-Männchen gäbe!

Genau dann, wenn ich zu viel verlange, wenn ich noch eins drauf setzen und mehr verlangen möchte, statt zufrieden mit dem erreichten zu sein: bräuchte ich das STOP-Männchen - das in meinem Kopf "STOP!" ruft.
Mit diesem Stop atme ich ruhig ein und aus, zähle bis 3 und mache bewusst eine Pause. Je nach Situation lobe ich mein Pferd erstmal ausgiebig oder lasse es verschnaufen.
(Ein Lob sollte nur in den ersten ca. 2 Sekunden nach dem Erfolg kommen, sonst verknüpft es nicht mehr Situation und Lob.)
  • Haben wir für heute genug erreicht?
  • Für wen will ich noch mehr erreichen?
  • Ist mein Pferd motiviert genug, es für mich nocheinmal zu zeigen oder ein Stück weiter zu gehen?
  • Wie gut war das Gezeigte im Vergleich zum Bisherigen?

Damit könnte ich mich und das Erreichte reflektieren und bewerten, ob es sinnvoll ist, genau daran weiterzuüben oder noch mehr Konzentration und Perfektion zu erfragen. Und abwägen, ob das in unserem Ausbildungs- und Trainingsstand schon besonders gut war und mit einer Pause oder dem Ende belohnt werden kann. Ich möchte doch morgen wieder ein motiviertes Pferd, dass für mich Bewegungen ausführt. So könnte ich entspannt im Schritt arbeiten und das Pferd beobachten, wie es sich fühlt, wie es wirkt und daran messen, ob es bereit ist, die Übung zu wiederholen oder zu verfeinern oder an etwas anderem zu "arbeiten". Ohne Zuhören und Konzentration wird es nicht besser - wichtig ist dann aufzuhören, wenn es so gut war, dass das Pferd meinen Stolz merkt und sich mit dieser Motivation beim nächsten Mal wieder anstrengen möchte. Das ist nicht leicht - aber es lohnt sich.
Pausen und Beziehungspflege


Kennst Du das auch?

Ich sehe etwas bei anderen oder in einem Buch oder Film, was ich auch gern könnte oder wo ich auch gern schon wäre und dann setzte ich alles daran, mir selbst zu beweisen, dass ich das auch kann. Ich schaue nur auf das innere Ziel-Bild und verliere die Verbindung zum Jetzt mit meinem Pferd. Mein Anspruch und Druck ruiniert die momentane Beziehung und freie, freudige Atmosphäre ......

und dann werde ich ungerecht, überfordere mein Pferd und höre nicht mehr zu.

Wenn es bloß das STOP-Männchen gäbe!

Genau dann, wenn ich nicht bei uns bin, wenn ich etwas beweisen oder erreichen will, wenn ich gerade dabei bin die Freude zu verlieren, den Stolz auf das was wir können und die partnerschaftliche Kommunikation zum Befehl mutiert: bräuchte ich das STOP-Männchen - das in meinem Kopf "STOP!" ruft.
Mit diesem Stop atme ich ruhig ein und aus, zähle bis 3 und nehme Abstand von allem, was mich antreibt, lasse los von Zielen, die mich unter Druck setzen und komme zurück zum Jetzt mit meinem wunderbaren Pferd. Ich fange einfach nocheinmal von vorn an. 
  • Was geht jetzt?
  • Was können wir alles schon?
  • Was haben wir heute schon erreicht?
  • Was macht uns Spaß?
  • Was ist heute möglich?
  • Was wollen wir gemeinsam machen, um stolz, zufrieden und motiviert aufzuhören?
  • Welchen nächsten Schritt kann ich gehen, um langfristig dahin zu kommen, wo ich uns in der Zukunft sehe?
Mit kleinen Zielen, kleinen Schritten erreiche ich dann, wenn es Zeit ist, genug, um Stolz zu sein. Jedoch braucht es die Basis und kleine verständliche Schritte. Eine Stufe überspringen hört sich NUR gut an, ist aber einfach ein zu großer Schritt für Körper und Geist. 
Vorausschauen und reflektieren - um aufzhören bevor es zu viel war. "STOP!" zum richtigen Zeitpunkt.


Wenn es bloß das STOP-Männchen gäbe! Dann wäre ich ruhiger, gelassener, selbstbewusster und teamfähiger.
Wenn es bloß das STOP-Männchen gäbe, wäre ich zufrieden, bevor ich ungerecht werde - wäre ich gelassen, bevor ich überfordere - würde ich aufhören und eine Pause machen, bevor ich frustriert im Hamsterrad strampele. Ich könnte tief ein und ausatmen und mich reflektieren. Ich könnte loslassen und lächeln. Ich könnte anhalten, loben und zufrieden über jeden kleinen Schritt sein.


Doch weißt Du was? Es GIBT das STOP-Männchen! (sozusagen)

Jeder ist sein eigenes STOP-Männchen! Nur müssen wir es nähren, damit es wächst und hüten, damit es zur Stelle ist.
Wir können lernen, im richtigen Moment unserer Gefühle, Gedanken und Antrieb bewusst zu werden und innezuhalten.
Nicht nur im Zusammensein mit dem Pferd, sondern jedem Miteinander, in der Kommunikation und Alltag kann es uns helfen, in uns zu ruhen, Dinge nicht persönlich zu nehmen, gelassen zu bleiben, nachzudenken und bewusst zu handeln.

Wir müssen es nur probieren. Und jedes Mal einen Moment eher "Stop!" rufen.

Wir können lernen, bewusst zu atmen, zur Ruhe zu kommen, innerlich "STOP!" zu rufen und NEU anzufangen.

Das ist das, was ich im Miteinander mit Pferden so liebe. Wenn wir es wollen, können wir unglaublich viel an uns selbst arbeiten und unseren Charakter schulen. 
Denke einfach daran durchzuatmen, loszulassen und übe Dich in Reflexion und Selbstkritik. Tu es für Dich und Dein Pferd.

Viel Freude und Erfolg! 


Jayanthi



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zum Weiterlesen:

bei Anna von der Pferde-Schule: "Ruhe und Gelassenheit beim Pferd - den Alltagsstress gezielt hinter sich lassen"
von Penny das Pony: "Wut - Hilfe ich seh rot!"

4 Kommentare:

  1. Wie schön! Das Stopp-Männchen muss auch immer wieder bei mir vorbeischauen. Damit Frau erkennt, dass die kleinen Schritte wichtig sind und ausreichen. Dass das sogar ganz große Schritte waren :-) danke für den schönen Artikel! Petra aus der Pferdeflüsterei.de

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    1. Du schreibst das sehr schön: wichtig ist der Fokus auf den kleinen Schritten, denn die sind eigentlich auch große, wenn wir sie entsprechend würdigen. lg

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  2. Wirklich ein ganz toller Gedanke! Ich brauche auch das kleine Stop-Männchen. Wenn ich ehrlich bin, dann zeigt es sich wahrscheinlich schon öfter als ich es bemerke - das wird mir dann erst klar, wenn ich schon wieder ein bisschen "drüber" gearbeitet habe. Danke für den schönen Gedankenanstoß! :) Liebe Grüße - Miri www.meinfaible.de

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    1. Das ist doch das Ziel im Pferdetraining, dass der Mensch auch trainiert wird. Auch wenn wir erst etwas später merken, und reflektieren, was wir anders hätten machen können, ist das ein Gewinn. Viel Freude! lg

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