Samstag, 6. Februar 2016

Freundschaft braucht Einfühlungsvermögen: Beispiele aus dem Leben

Hier kommt nun der zweite Teil zum Thema:
Freundschaft und Einfühlungsvermögen.

Du möchtest zuvor noch einmal den 1. Teil lesen? Es ging um: "Einfühlungsvermögen - ein Schlüssel für Freundschaft und Zuneigung"


Für mich ist dieses Thema ebenbürtig mit der Basis im Umgang mit dem Pferd, was das Pferd lernen sollte, wie wir es zu einem Reitpferd erziehen. Freundschaft ist die Basis auf der emotionalen Ebene, in Bezug auf die Einstellung, so wie Vertrauen und Respekt.

Jede ReiterIn oder PferdebesitzerIn macht im Laufe der Zeit Erfahrungen, lernt aus Fehlern und entwickelt sich. Das auch auch gut so und richtig. (Wenn hoffentlich keine Gewalt und Unterjochung dabei ist.)
Doch manchmal ist mir aufgefallen, dass mich jemand auf etwas angesprochen hat, das mich dann zum Nachdenken angeregt hat: ich wäre von allein irgendwie einfach nicht darauf gekommen. Entweder weil man es eben so gelernt hat. Oder weil es logisch erschien. Oder weil man schlicht und einfach nicht bemerkt hat, dass dort ein i-Tüpfelchen mit bitterem Beigeschmack für das Pferd ist. Hm, dachte ich dann immer, wieso habe ich das nicht gesehen? Nicht gemerkt? Mich nicht gefragt, was ich hier warum mache. Wie geht es anders? Mache ich das nur, weil es alle so machen? Kann ich nicht reflektieren?
Nein - manchmal kann man das einfach nicht. (Weil nicht jeder ein Einstein oder Newton ist.) Dennoch können wir immer wieder versuchen, nachzudenken, bevor wir handeln; mitzudenken, in Bezug auf die Gefühle, die Befindlichkeit des Anderen; und das zu überdenken, was wir als Normal ansehen.

Was hat das mit Freundschaft zu tun? Könntest Du fragen.


Eigentlich ganz einfach. Freundschaft liegt in den kleinen Dingen im Alltag, in der Beziehung, im Miteinander. Und in den kleinen Dingen, wie wir uns verhalten, was wir erwarten, können sozusagen "Denkfehler" versteckt sein - kleine Fallen - von denen wir grundsätzlich annehmen (eigentlich nicht einmal annehmen, sondern sie einfach voraussetzen oder hinnehmen), sie seien normal, richtig und gut so. Ein Beispiel dazu habe ich im ersten Artikel zu diesem Thema aufgegriffen: das Halftern. Lass uns nun weitere Beispiele durchleben, die sich im Leben mit dem Pferd alltäglich zeigen (können) - und die Zeichen oder Hindernis für Zuneigung und Freundschaft sind.
Denn aus oder mit Freundschaft können wir auch Vertrauen und Harmonie erreichen. Weil wir den Anderen als gleichwertig ansehen.


Die Putz-Routine


Ein Beispiel aus dem Alltag:
Am Anbinder, Pferd steht, Mensch plant schon die Reitstunde oder unterhält sich mit einer Freundin. Pferd steht und horcht aufmerksam, weil der Mensch nicht bei der Sache ist. Oder Pferd beginnt zu zappeln, nach Gras zu suchen, weil es nicht beachtet wird. 
Wenn der Mensch nicht zuhört, beobachtet und dann auf die Bewegungen oder Mimik des Pferdes eingeht, riskiert er ein innerliche Abwenden des Pferdes, das dann seinen eigenen Weg sucht (oder auf den Fuß latscht, das kommt dann nämlich schneller mal vor). Es hat keine Chance, zu zeigen, was ihm gefällt oder nicht gefällt, wenn wir seine Fragen und "Gedanken" nicht beachten. 
Die nächste Unachtsamkeit folgt dann beim Putzen. Bürste in der einen, Striegel in der anderen Hand und los geht`s. Da wird in einer alltäglichen Routine von vorn nach hinten geschrubbt, der Dreck muss doch weg! Und nur auf den Dreck wird geschaut. (Du bist bestimmt nicht so abgelenkt und abwesend routiniert. Aber falls Du mal einen anderen Menschen bei seiner vertieften Abwesenheits-Routine siehst, setze Dich mit freundlichen Worten für dessen pferdigen Freund ein. Weg von der Routine hin zu konzentriertem Gefühl. Massage kann angenehm sein, die Muskeln aufwärmen, den Körper vorbereiten. Aber nicht, wenn das Pferd die "Luft anhält" und auf das Ende der Tortour hofft.) 
Ich möchte einmal für mich sprechen - ein Glück wurde ich schon oft massiert und das habe ich genossen. War es zu stark, habe ich es gesagt; brauchte ich an einer Stelle stärkere Knetungen, habe ich das gesagt. Weil ich mich mitteilen durfte. Ich habe auch schon andere massiert und zugehört, ob es gut so ist, wie ich massiere und wo mehr gewünscht ist. Und genau so wünscht es sich das Pferd. Eine Massage, eine Behandlung mit Rücksicht, Sanftheit oder Hilfe an juckenden Stellen. 

Stelle Dir einfach vor: Putzen ist wie Reiten - mit der gleichen Konzentration auf die Körpersprache des Pferdes und mit dem gleichen Einfühlungsvermögen und Achtsamkeit. Was und wie braucht es mein Pferd? Denn Putzen ist die Vorbereitung auf das Reiten, nicht erst die Aufwärmphase im Schritt. Das Pferd merkt Deine Einstellung und ob Du wirklich bei der Sache bist. Schließlich wollen wir auch ein Pferd, dass 100 %ig bei der Sache ist und auf uns achtet. 
Und wir wollen einen Freund. Der gedanklich bei uns ist, der mitmacht. 

Wie war das gleich mit der Gegenseitigkeit?
 
Hier geht es zum Artikel mit dem Thema: Bitten und Fragen.


Einfühlen - einlassen - zurückgeben - bedanken.


Führung oder Ziehung


Wie sieht es aus mit dem Führen? am Strick, am Zügel. Kommt der Gaul? Läuft der hinter oder neben dir? Folgt er Deinem eiligen Schritt und Tempo? (Denn Zeit ist kostbar.)

Schaut man sich einmal auf einem Reitplatz, Reiterhof oder Turnier um, sieht man leider viele gedankenlos hinterher gezogene Gegenstände, die da Pferd heißen (als ob sie so ein Spielzeug auf Rollen wären oder ein Schlitten, der folgt schon, wenn ich ziehe).
Kennst Du diese Beziehungs-Übung zum Fühlen, bei der Du Dich von einem (menschlichen) Partner führen lässt? Um die Übung so richtig ehrlich zu nutzen, lässt Du Dich mit geschlossenen Augen führen. Da schau mal einer an, wie weit auf einmal unser Vertrauen geht, wie locker wir dem Anderen folgen und wie lustig das wird, wenn derjenige nebenbei mit dem/r StallkollegIn quatscht und vielleicht einen Stein übersieht. Huch - ist eben passiert. Und Deine Meinung dazu? Aua! 
Nun versetzen wir uns einmal in das Pferd. Es geht natürlich nicht mit geschlossenen Augen und auf Steine schauen sollte es auch selbst - soviel Führung übernehmen wir nun auch wieder nicht.
Aber wir halten da ein Seil in der Hand, das am KOPF befestigt ist. Ein Ruck tut im Genick und den Auflageflächen des Halfters weh. Da wäre es schon nett, wenn ich konzentriert beim Pferd, beim Führen bin, um nicht erst ruckartig zu reagieren, wenn es ZU SPÄT ist. Das ist freundschaftlich.
Wir halten die Zügel in der Hand, die schon beim Wackeln, Flattern und meiner Arm-Bewegung im Laufen eine Reaktion im Maul, nämlich am Gebiss hervorrufen. Ebenso beim Reiten. Hast Du einmal gefühlt, wie sich das Gebiss im Maul anfühlen könnte? Wenn jemand dran zieht? Konzentriere Dich auf Deine Hand, die eine sensible Verbindung zum Pferd hält. Sie soll freundschaftlich bleiben. (Sonst sind wir leider wieder beim Unterjochen.)

Ich habe hierzu schon einmal etwas geschrieben: "Höflichkeit Teil 2"

Aufsteigen = Plumps und Sitz


Noch ein letztes Beispiel:
Mittlerweile wird zum Glück viel Über das Thema Aufsteigen mit Aufstiegshilfe gesprochen. Jedoch denke ich, dass fast jeder schon einmal versucht hat, wie die Indianer, auf das Pferd zu springen. Wer es kann oder bei jemandem gesehen hat - sieht schon beeindruckend aus, gerade wenn das Pferd kein Pony hast. Hut ab, ich kann das nicht. Aber ehrlich, ich will das auch gar nicht mehr. Ich habe oft genug Kindern auf`s Pferd geholfen (manche haben das Einfühlungsvermögen oder Körpergefühl einfach nicht, sich sachte hinzugleiten, auch wenn ich vorher sage: "langsam und vorsichtig hinsetzen") und gesehen, wie plumpsende Gewichte auf den Rücken wirken. Ich stelle mir das dann bei mir vor. Mir sind meine Kinder auch schon auf den Rücken gesprungen (zum Glück noch leichtgewichtig genug) und das tut einfach weh. So sollte man beim Aufsteigen, egal wie man vorgeht, immer mit Bedacht und sachte bei der Sache sein. Der Rücken wird es Dir danken :) 
Auch das Aufsteigen sollte ein Akt der Freundschaft sein. " So wie du willst, dass man dir begegnet (sich Dir gegenüber verhält), so begegne auch dem Anderen (und gerade einem Freund)."
Diese Feinheiten im Umgang kann man beim Satteln, Gurten, Trensen, Riemenschließen, Treiben, Einwirken etc. wiederfinden und sich beobachten und sensibilisieren. Im Sinne des Pferdes - fühle wie Dein Pferd und versetze Dich in seine Lage.
Aufsteigen hat nun aber auch immer etwas mit Beweglichkeit und Fitness zu tun. (Vielleicht sollte jeder zuerst an einem Holzpferd üben, bis er geschmeidig aufsteigen kann, ohne einen Krampf im Bein zu bekommen oder halb sitzend und liegend festzuklemmen, weil die Muskeln nicht den halben Spagat zulassen.) Und aufgestiegen ist noch nicht geritten. Auf dem Pferd sitzen ist auch nicht reiten. Für das Wohlbefinden zählt hier sehr viel das Körpergefühl und die körperliche Fitness (Beweglichkeit, Balance, Koordination) des Reiters - denn mit seinem Sitz steht und fällt sozusagen die Geschmeidigkeit und Losgelassenheit als auch Leichtigkeit des Pferdes.

"Wenn man von gesundem Reiten spricht, so spricht man auch immer vom Reiter selbst. Denn der Einfluss unseres Körpers ist enorm in Hinsicht auf die Gesunderhaltung des Pferdes!"

Wenn man sich ein tanzendes Paar vorstellt, das in seiner Geschmeidigkeit, Eleganz und Ausstrahlung berührt, dann doch nur, weil sie als Team zu gut harmonieren und einer dem anderen ebenbürtig ist. Der eine muss dem anderen folgen, ihn verstehen und vertrauen. Und um besondere "Leistung" zu vollbringen, müssen auch beide gleich fit und begabt sein. So ist das auch beim Reiten. Der Reitersitz beeinflusst das Pferd in seiner Bewegung, seinem Können, sich wie im Tanz elegant, voller Energie wohlfühlend zu bewegen - positiv und auch negativ.

"In diesem Sinne sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass wir uns nicht nur der Gymnastizierung der Pferde widmen, sondern auch einen sehr kritischen Blick auf unseren eigenen Körper werfen!
Denn wie wollen wir von unseren vierbeinigen Freunden verlangen, mit uns Höchstleistungen zu vollbringen, wenn wir selbst dabei nicht in der Lage sind, sie zu unterstützen oder sie gar noch behindern?"

Diese zwei Zitate passen sehr schön als Beispiel, wie weit der Bezug zur Freundschaft reicht. Mehr zum Reitersitz, der beim Reiten die Verbindung zum Pferd - Verbindung zum Freund und Tanzpartner, ist, kannst Du hier nachlesen: "Die klassische Dressur als Schlüssel zum gesunden Pferd."


Ich denke, von diesen Beispielen kennst Du sicher auch welche. Ich möchte hiermit ein wenig sensibel machen für die "Kleinen Dinge".
Wenn Du ein passendes Beispiel aus Deinem Alltag hast, schreibe uns doch kurz im Kommentar etwas dazu. So können auch andere von Deiner Erfahrung profitieren.
Der Fokus im Miteinander liegt besonders in der Konzentration auf das, was ich tue und vorhabe und auf dem Anwesend sein im Jetzt mit meiner Aufmerksamkeit auf meinen pferdigen Freund. Dabei merke ich viel besser, wie ich mich verhalte und wie sich das Pferd fühlt.
Es geht nicht darum, keine Fehler zu machen - sondern MIT ZU DENKEN.
Reiten ist kein Machtkampf oder Herrschaft - vielmehr ein friedvolles Miteinander in Ruhe und Harmonie. Deshalb sehe ich es als mein größtes Ziel, Reiten als REITKUNST zu sehen und danach zu streben.

 


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zum Weiterlesen:

1. Teil zu diesem Artikel und Thema: "Einfühlungsvermögen - ein Schlüssel für Freundschaft und Zuneigung"

6 Kommentare:

  1. Anonym2/07/2016

    Sehr schön erklärt! Unachtsamkeit und fehlende Wahrnehmung ist leider an der Tagesordnung. Passiert mir auch manchmal. Ich versuche aber dann sofort wieder mit meinem Herz beim Pferd zu bleiben und ich glaube das zahlt sich auch in der Prävention aus. Toller Blog! Danke Susi

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    1. Danke sehr! Deine Worte sind eine sehr schöne Ergänzung. Ich finde gerade die Wortwahl "Unachtsamkeit" und im Gegenzug also der achtsame Umgang sehr wichtig und die "fehlende Wahrnehmung" ist das, was ich als Oberbegriff gern als Gefühl bezeichne - Fühlen, Einfühlen, Mitfühlen und Gefühle etc. wahrnehmen. Am besten finde ich aber wie Du es sagst: "Mit dem Herzen dabei sein". Ich denke, wenn man das kann, hat man einen Freund. "Man sieht nur mit dem Herzen gut." Um es mit dem Beispiel (abgewandelter Auszug aus dem kleinen Prinzen) aus meinem ersten Artikel zu diesem Thema auf den Punkt zu bringen. :)

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  2. Mein "Projektwallach" legt gern mal die Ohren an, wenn er auf der Stallgasse steht. Er tut das dann, wenn im fremde Menschen zu nah kommen, zu schnell an ihm vorbeigehen und damit zu viel Energie bringen. Was machen die Menschen in der Regel? Motzen ihn an, dass er gefälligst freundlich schauen soll, versuchen, ihm einen Klaps zu geben - wenn ich das nicht rechtzeitig unterbinde - oder marschieren geradewegs zu seinem Kopf und tatschen ihn an, was seine Laune natürlich weiter in den Keller treibt. Wenn man ihn "falsch", nämlich zu fest und zu schnell putzt, schlägt er mit dem Schweif und schüttelt den Kopf. Das alles sind jetzt keine Verhaltensweisen, die ich als Mensch toll finde. Aber letztlich teilt er mir damit seine Meinung mit und fordert mich (oder andere) auf, etwas zu verändern. Ich finde es wichtig, genau zuzuhören und hinzusehen - es macht dem Pferd das Leben so viel leichter und angenehmer. VG! Nadja

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    1. Danke liebe Nadja für Dein Beispiel. Ja genau so ist es, jedes Pferd hat seine Eigenarten, aber sind eher seine Kommunikationsformen und Wege, uns etwas zu sagen. Denn das eine Pferd mag etwas, das andere nicht, das eine mag es so, das andere so - wie wir Menschen. Und wenn wir uns kennen, wissen wir, was der andere braucht und mag. Dann können wir darauf eingehen. Es ist schön, dass Du Dir da so viel Mühe gibst, Dein Pferd davor zu beschützen von unachtsamen Menschen genau so behandelt oder bestraft zu werden, wie er es eben nicht braucht, weil es was zeigt, was leider nicht alle verstehen (sehen).

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  3. Hi! Da hast du ein paar schöne Beispiele herausgesucht. Ich hab noch eins aus meinem Alltag :) Ich hole immer alle Sachen, die ich brauche vorher an die Putzstelle, damit ich mein Pferd zu keiner Zeit alleine lassen muss. Der weitere Gedanke dahinter ist für mich: Ich hole ihn aus seiner Herde, bin also ab dem Moment für ihn komplett verantwortlich (in seinen Augen auch für seine Sicherheit), also würde ich ihn nicht alleine den Säbelzahntigern hinterm Putzplatz aussetzen.
    Ich bringe ihn auch dort wieder hin, wo ich ihn abgeholt habe oder zumindest bis zu dem Punkt, wo er seine Herde gut sehen und erreichen kann. Im Sommer bedeutet das, dass ich einen guten Kilometer mit ihm zurück zur Koppel laufe, dabei habe ich das Halfter schon abgenommen, er könnte also gehen, aber wartet eigentlich immer bis er seine Pferdefreunde sieht.
    Liebe Grüße, Saskia

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    1. Das ist ein schöner Punkt - die Verantwortung dahin weiterzuentwickeln, dass man sich zusammengehörig fühlt und wartet - gegenseitig, also das Pferd auf uns und die "Entlassung" o.a. und wir auf das Pferd, es braucht seine Zeit. Die Putzsachen habe ich auch immer in der Nähe, lange wegbleiben veranlasst das Pferd, sich um sich zu kümmern, also die Verantwortung für sich zu übernehmen. Schöner, wenn es die ganze Zeit wissen und fühlen kann, dass ich da bin. Nicht als Herdenchef oder Ersatz, aber als denkender Mensch, der in unserer Welt einfach mehr Überblick hat und weiß, wann man was tut oder etwas nicht gefährlich ist.

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